15 November 2005

Kriminalität: 150 Beschuldigte im Frankfurter Immobilien-Skandal

Von Helmut Schwan

13. November 2005 Der „Frankfurter Immobilien-Skandal” ist längst über sich hinausgewachsen. Berlin, München, Prag oder London tauchen in den Akten der Staatsanwaltschaft als Adressen auf, mal als Standorte ruchbarer Investitionen, mal als Büroanschrift von Verdächtigen oder Zeugen. Ein Ende der Ermittlungen ist laut Doris Möller-Scheu, Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft, nicht abzusehen. Das liegt zum einen an der großen Zahl von rund 150 Beschuldigten - rund zwei Dutzend saßen bisher in Untersuchungshaft -, aber auch an den weitreichenden Verästelungen und an den Schattierungen der Korruptionsaffäre. In ihrem Dunstkreis tauchten sogar illegale Geschäfte bei der Vermittlung von Putzkräften in Hotels auf.


Der neueste Ableger führt wieder zurück in die Frankfurter City. Derzeit sind fünf Männer inhaftiert, die beschuldigt werden, bei den Aufträgen für den Umbau des Japan-Centers manipuliert zu haben. Der die Finanzwelt vor allem irritierende Kern der Affäre, der Verdacht, daß hochrangige Manager von Immobilienfonds gegen Schmiergeld oder private Vergünstigungen Hochhäuser ins Portfolio nahmen, erscheint inzwischen eingekreist.

Illegale Nebeneinkünfte bei Geschäften mit 18 Immobilien

Als sicher stufen die Ermittler ein, daß beim Erwerb oder der Vermarktung von 18 Immobilien illegale Nebeneinkünfte erzielt wurden; mit einiger Wahrscheinlichkeit wird sich die Zahl der Objekte noch deutlich erhöhen. In Frankfurt zählen dazu unter anderen das von der Deutschen Bank errichtete Investment Banking Center (IBC) in der Nähe der Messe und das Skyper-Hochhaus des Deka-Fonds, außerdem in Wiesbaden ein Komplex im Abraham-Lincoln-Park. Das von den Machenschaften berührte Investitionsvolumen wird derzeit auf drei bis vier Milliarden Euro geschätzt, aber am Ende der Ermittlungen könnten es auch fünf sein, heißt es.

Die Summe der Schmiergelder - eingerechnet Vergünstigungen wie die Hilfe beim Bau von Privathäusern - beträgt nach vorläufigen Berechnungen mehr als zwölf Millionen Euro. Zu der sogenannten Angestelltenbestechung kämen als mögliche Delikte Untreue, Betrug, Geldwäsche und Steuerhinterziehung hinzu, berichtet die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Daß Schmiergeld nicht als Einnahme angegeben wurde, ist für die Ermittler nicht überraschend, aber als neue Komponente kam offenbar hinzu, wie die Geberseite den Fiskus prellte: Ein auch als Kunstmäzen bekannter Frankfurter Immobilienkaufmann steht im Verdacht, zur Verschleierung der Bestechungszahlungen Scheinrechnungen für nie erbrachte Beratung erstellt und als Mittelsmann das Schmiergeld weitergeleitet zu haben. Über Verlustvorträge soll er es vermieden haben, für die „Beratung” Steuern zahlen zu müssen.

Keine Anzeichen für Netzwerk

Obwohl die Manipulationen gut organisiert gewesen seien, gebe es keine Anzeichen für ein in der Branche weitverbreitetes Netzwerk, sagt Oberstaatsanwältin Möller-Scheu. Es war wohl eher ein Gewebe von freundschaftlichen Beziehungen und Geneigtheiten der Akteure am Finanzplatz Frankfurt. Zu Beginn der Ermittlungen hatte sich nicht ahnen lassen, welche Kreise der Fall ziehen würde. Die Unterlagen füllen nach einer Serie von Durchsuchungen inzwischen mehrere hundert Umzugskisten.

Der Chef der Frankfurter Korruptionsermittler, Wolfgang Schaupensteiner, hatte die Ermittlungen im Jahr 2003 gegen einen Gebäude-Manager einer Immobilentochter der Deutschen Bank eingeleitet. Der inzwischen zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilte frühere „Edelhausmeister” des Frankfurter Trianon-Hochhauses - wie sich der Neunundfünfzigjährige im Prozeß selbst nannte - hat nach den Feststellungen des Landgerichts insgesamt rund eine Million Euro dafür kassiert, daß er Firmen bei Bauaufträgen oder der Beschaffung von Computern bevorzugte.

Das war zwar auch für die hartgesottenen Frankfurter Strafverfolger eine beachtliche Dimension, aber auch zu ihrer Überraschung nur der Einstieg zu einer höheren Ebene der Korruption. Im Sommer 2004 schließlich schreckte die Entlassung des Deka-Fonds-Geschäftsführers Michael Koch „wegen Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten” die Branche auf. Er wurde ebenso verhaftet wie Hans Günter Seckerdieck, damals Manager der Fondsgesellschaft DG Anlage, zuvor bei der Deutsche-Bank-Tochter DB Real Estate.

Eine Art Kartell entwickelt

Nach den bisherigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft und der Wirtschaftsfachleute der Kriminalpolizei hatten sie zusammen mit ihrem „Berater” eine Art Kartell entwickelt: Bauunternehmer, Architekten, Makler oder Projektentwickler erhöhten ihre Chancen, von den Fonds finanziert oder beauftragt zu werden, indem sie deren Managern „Provision” zukommen ließen. Aber auch an Transaktionen zwischen den Fonds sollen diese wechselseitig profitiert haben. Ob und in welchem Ausmaß Anleger dadurch geschädigt wurden, ist jedoch offenbar auch von Wirtschaftsprüfern schwerer zu bemessen, als es zunächst den Anschein hatte: So soll ein Architekt, dem ein Fondsmanager zu verstehen gegeben habe, er könne entscheiden, wer den Auftrag zur Planung eines Hochhauses erhalte, das Schmiergeld vom späteren Honorar abgezweigt haben.

Noch komplizierter wird es, wenn im nachhinein bewiesen werden muß, daß der Preis zum Zeitpunkt der Immobilientransaktion nicht marktgerecht gewesen sei. Die Kooperation mit den Banken als den Müttern der Fonds sei gut, heißt es aus Justizkreisen. Aber auch sehr aufwendig: Mittlerweile ist der Bericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zu den Vorfällen eingetroffen. Allerdings eignet sich das Werk kaum als Bettlektüre. Es ist rund 600 Seiten dick, prall gefüllt mit Zahlen, Bilanzen, Marktanalysen.

Quelle: Rhein-Main-Zeitung, 15.11.2005

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