26 September 2007

Auswärtsspiel in Spandau

Westberliner Bezirksverbände der Linken fühlen sich vom Landesvorstand gegängelt. Doch dem mißlingt das immer öfter

Von Jörn Boewe, jW 26. Sept. 2007


Ganz zum Schluß muß der Vizeparteichef dann doch noch was sagen. »Genossen, die Tarifverhandlungen laufen doch schon seit einem halben Jahr ...«, versucht Wolfgang Albers, stellvertretender Landesvorsitzender der Partei Die Linke in Berlin, dem renitenten Spandauer Bezirksverband einen Beschluß zur Unterstützung der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes auszureden. Albers hat recht. Der »rot-rote« Senat verhandelt schon seit Weihnachten 2006. »Aber es gibt bis heute kein Angebot«, erwidert eine Genossin.

»Doch«, sagt Albers. »Der Innensenator hat den Gewerkschaften im August sogar angeboten, in den Flächentarifvertrag zurückzukehren.«

»Mit Lohn- und Gehaltssteigerungen?« fragt ein anderer.

Der Parteivize: »Ohne die Entgeltbestandteile ...« Ende der Argumentation.

Das hier ist kein Heimspiel. Spandau, fünfter Verwaltungsbezirk der Hauptstadt, liegt am Westufer der Havel und gehört nach Meinung der Spandauer gar nicht wirklich zu Berlin – nach Meinung der Berliner übrigens auch nicht. Aber das hier hat nichts mit Geografie und Lokalpatriotismus zu tun. An die achtzig Leute zählt der hiesige Bezirksverband der Linken, und rund die Hälfte sind am Montag abend im »Roten Laden Salvador Allende« in der Spandauer Altstadt zusammengekommen, um ihren neuen Bezirksvorstand zu wählen; und Albers, begleitet von Landesschatzmeisterin Sylvia Müller, soll nachsehen, ob alles mit rechten Dingen zugeht.

Denn es gibt Anlaß zur Sorge. Anfang Juli beschloß der Bezirksverband mit großer Mehrheit, drei Berliner Volksbegehren für die Demokratisierung der Hochschulen, für die Offenlegung der Geheimverträge zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe und für ein gemeinwohlorientiertes Sparkassengesetz zu unterstützen. Für die Demokratisierung der Hochschulen sind die Genossen im Landesvorstand auch, aber die anderen zwei Kampagnen empfinden sie offenbar als Angriff auf die eigene Regierungspolitik. Erst in der vergangenen Woche hatte der Landesgeschäftsführer Carsten Schatz versucht, entsprechende Beschlüsse seines Bezirksverbands Tempelhof-Schöneberg mit einer offenkundig vorgeschobenen, formalen Begründung von der Landesschiedskommission annullieren zu lassen. Albers hat, was kein Kunststück ist, mehr taktisches Feingefühl als Schatz – aber Mißtrauen schlägt ihm in Spandau ebenfalls entgegen: »Auch wir sollen auf Linie gebracht werden«, argwöhnen die Genossen.

Schlechte Stimmung zwischen Bezirksverband und Landesvorstand gab es schon im Frühjahr. Damals hatten die Spandauer Genossen, gemeinsam mit anderen antirassistischen Initiativen, auf die »inhumanen Zustände« im Abschiebelager in der Motardstraße hingewiesen. »Warum sind die Toiletten und Duschkabinen nicht abschließbar?« fragte der Vertreter der Linken, Karlheinz Zesch, in der Bezirksverordnetenversammlung. »Wer ist für diese menschenunwürdigen Zustände verantwortlich?« Sozialstadtrat Martin Matz (SPD) verwies auf die Senatorin Heidi Knake-Werner (Die Linke). Es rauschte ein paar Tage im Blätterwald, dann reiste die Senatorin zur Besichtigung an, fand alles nicht so schlimm und vergaß nicht zu betonen, daß sie nicht eine einzige Küchenschabe gesehen habe – wofür ihr eine antirassistische Gruppe die Auszeichnung »Goldene Kakerlake« verlieh.

Die Spandauer Genossen sind bis heute sauer: »Wenn die Senatorin mit Voranmeldung und großem Presserummel hierher kommt, läßt man sie natürlich nur ›Vorzeigezimmer‹ sehen«, erregt sich Vorstandsmitglied Piotr Luczak. So stellt man sich hier die Zusammenarbeit mit »unseren Senatoren« nicht vor. »Konsequente linke Politik«, sagt Luczak, »ist nur durchsetzbar, wenn sich die Akteure nicht als verlängerter Arm von Regierungen und Koalitionen verstehen, sondern unbeugsam die Interessen der Unterdrückten, seien es Deutsche oder Nichtdeutsche, vertreten.«

Wie die Zentrale sich die Zusammenarbeit vorstellt, wird an diesem Abend nicht mehr verraten. Man werde den neuen Bezirksvorstand »mal einladen«, sagt Albers zum Abschied, »und dann können wir uns darüber unterhalten, was wir von euch erwarten und was ihr von uns erwartet.«

die-linke-spandau.de

20 September 2007

Unterstützen heißt behindern

Die Linke in Berlin: Bezirksverband darf keine Unterschriften für Volksbegehren gegen Privatisierungspolitik sammeln. Schiedsgericht soll Beschlüsse kassieren

Von Jörn Boewe, jW 20. Sept. 2007


»Der demokratische Zentralismus ist vorbei«, hatte Berlins Linksparteichef Klaus Lederer vor ein paar Wochen erklärt. Er vergaß hinzuzufügen: Aber nur der demokratische. Wie es der Berliner Landesvorstand mit dem – nennen wir ihn mal: »bürokratischen« – Zentralismus hält, kann man im kürzlich veröffentlichten Protokoll der Vorstandssitzung vom 11. September an einem handlichen Fallbeispiel studieren.

Mit einem »einstimmig, ohne Enthaltungen« gefaßten Beschluß verbietet Lederers »kleines Zentralkomitee« dem Bezirksverband Tempelhof-Schöneberg, in den Räumen seiner »Bezirksgeschäftsstelle« Unterschriften für zwei Volksbegehren zu sammeln. Eines fordert die Offenlegung der Geheimverträge zum Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe durch die CDU-SPD-Koalition 1999, das andere will eine gemeinwohlorientierte Novellierung des Berliner Sparkassengesetzes erzwingen.

»Im Landesverband Berlin gibt es keine Bezirksgeschäftsstellen«, stellt der Vorstand in seiner Begründung fest. »Es gibt die Landesgeschäftsstelle, die politisch-kulturelle Zentren in Berliner Bezirken betreibt. Dort arbeiten Mitarbeiter/innen der Landesgeschäftsstelle, die die Arbeit der Bezirksverbände unterstützen.«

»Unterstützen« – das ist witzig: Der Bezirksverband hatte am 22. August mit großer Mehrheit beschlossen, »die Sammlung von Unterschriften an öffentlichen Plätzen zu organisieren, gegebenenfalls auch im Rahmen von Bündnissen mit anderen Organisationen«, und seine Mitglieder aufgerufen, »sich zahlreich an der Sammlung von Unterschriften für diese Volksbegehren zu beteiligen«.

»Der Landesvorstand«, liest man in dessen jüngstem Protokoll nun weiter, »und die von ihm errichtete Landesgeschäftsstelle sind an die Beschlüsse des Landesparteitages gebunden.« Der wiederum habe im Juli »Anträge zur Unterstützung der Volksbegehren zur Sparkasse und zur Offenlegung der Privatisierungsverträge abgelehnt« – mit knappen Mehrheiten, aber das steht da nicht – und: »An diesen Beschluß des Landesparteitages ist der Landesvorstand gebunden und wird daher dem Ansinnen der Mitgliederversammlung nicht folgen, da es einer Aufforderung zum Satzungsbruch gleichkommt.«

Eine fabelhafte Argumentation! Kleinkariert, unpolitisch und sachlich falsch: Es gibt keinen Parteitagsbeschluß, der den Vorstand verpflichten würde, Bezirksgliederungen das Unterschriftensammeln in den »politisch-kulturellen Zentren« zu verbieten. Egal – eine ehrliche Begründung wäre schließlich noch peinlicher: Die beiden Volksbegehren passen einfach nicht so recht in die »investorenfreundliche« Linie des »rot-roten« Senats.

Denn um nichts anderes geht es. Die Bestätigung hat Landesgeschäftsführer und Vorstandsmitglied Carsten Schatz gleich selbst geliefert. Schatz, der im renitenten Tempelhofer Bezirksverband seine Beiträge zahlt, beantragte beim Landesschiedsgericht die komplette Annullierung der Beschlüsse vom 22. August. Erneut wird die Parteisatzung zur Begründung bemüht: Angeblich hätten die Beschlußanträge den Mitgliedern vier oder sechs Wochen vor der Versammlung zugestellt werden müssen. Schaut man allerdings in die Satzung, findet man eine solche Regelung nur für Parteitage – nicht aber für Mitgliederversammlungen der Bezirke. Am Freitag wird sich das Schiedsgericht mit der Angelegenheit befassen.