08 Dezember 2009

Was sich ändert

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20 März 2009

»Sizilianisierung der Gewinne«

Das Gaunerstück um die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe jährt sich 2009 zum zehnten Mal. Der SPD-Linke-Senat tritt verbal für die Rekommunalisierung ein. Unternommen hat er bislang nichts

Von Jörn Boewe

»Die Koalition setzt sich für die Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) ein«, heißt es in der Koalitionsvereinbarung von Berliner SPD und Linkspartei vom Herbst 2006. Der- Passus fand nicht von ungefähr Eingang in den Vertrag: Die 1999 von der damaligen Berliner großen Koalition aus CDU und SPD vorgenommene Teilprivatisierung der vormals öffentlichen Wasserwerke hatte den Berlinern innerhalb weniger Jahre Wasserpreise eingebracht, die zu den höchsten im Vergleich mit anderen deutschen und europäischen Großstädte gehören.

Der Preise gingen nach oben, nachdem CDU und SPD 49,9 Prozent der Landesanteile an den BWB an eine Beteiligungsgesellschaft (»BB-AG«) der transnationalen Konzerne RWE und Veolia verkaufte. Treibende Kraft war dabei nicht die CDU, sondern die SPD in Gestalt ihrer damaligen Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing. Durch die Privatisierung sollte nicht nur frisches Geld in die Landeskasse kommen. Die Dienstleistungen sollten auch besser und billiger werden.

Damit die beiden Konzerne kein unternehmerisches Risiko eingehen mussten, garantierte ihnen das Land Berlin eine Mindestrendite: »Als angemessene kalkulatorische Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals gilt die durchschnittliche Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen in einem Zeitraum von 20 Jahren, die der jeweiligen Kalkulationsperiode vorausgehen, zuzüglich zwei Prozentpunkte«, (»r+2 Prozent«) wurde ins Teilprivatisierungsgesetz geschrieben.

Eine investorenfreundliche Regelung: Egal wie die Geschäfte laufen würden – ein Gewinn zwischen sechs und neun Prozent war für drei Jahrzehnte garantiert. Notfalls, so verpflichtete sich der Senat, würde Berlin ihn eben aus dem Landeshaushalt zahlen.

Die Wirtschaftskanzleien, von denen sich das Land Berlin und seine privaten »Partner« Vertrags- und Gesetzentwurf schreiben ließen, gingen auf Nummer sicher: Sollte irgendetwas dazwischen kommen, was den vereinbarten Gewinnanspruch der Investoren schmälern könnte – Gesetz, Verfassung, höchstrichterliches Urteil - wäre das Land Berlin verpflichtet, nach Mitteln und Wegen zu suchen, den privaten Anteilseignern, die einmal abgemachte Rendite irgendwie dennoch zukommen zu lassen.

Diese »Nachteilsausgleichsklausel« war geradezu prophetisch. Schon 1999 erklärte der Berliner Verfassungsgerichtshof die Renditegarantie von »r+zwei Prozent« für verfassungswidrig. Gekündigt wurde der Vertrag vom Land deswegen nicht. Vier Jahre blieben die Dinge in der Schwebe, dann fand die neue Berliner Mitte-Links-Regierung eine kreative Lösung. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke), der Ende der 90er Jahre als Oppositionsführer im Abgeordnetenhaus noch einer energischsten Gegner der Teilprivatisierung war, ließ Vertrag und Gesetz insoweit verändern, daß den Privaten seither dank einer günstigeren Abschreibungsmethode und qua amtlicher Verordnung der Verzinsung ihres Kapitals »die Nachteile in vollem Umfang« ausgeglichen werden.

Frau Fugmann-Heesing ist seit 2002 als »selbständige Unternehmensberaterin« tätig, und berät Kommunen dabei, ihr Tafelsilber an Finanzinvestoren zu verschleudern. Daß sie immer noch ein Mandat im Abgeordnetenhaus von Berlin innehat, dürfte ihr dabei zugute kommen. Zur Ehrenrettung der SPD muß man hinzufügen, daß eine der scharfsinnigsten und hartnäckigsten Kritikerinnen der BWB-Privatisierung ebenfalls das rote Parteibuch in der Tasche trägt: Die frühere Abgeordnete Gerlinde Schermer vom linken Parteiflügel charakterisierte den Berliner Wasser seinerzeit treffend: Es gehe nicht um die Sozialisierung von Verlusten und die Privatisierung von Gewinnen, sondern um die »Sizilianisierung von Gewinnen«. (Gerlinde Schermer verlor ihr Mandat 1999, weil sie nach Worten ihres SPD-Kreisverbandschefs Frank Lewitz "permanent Politik gegen ihre eigene Partei" gemacht hatte.)

Mittlerweile haben die Berliner im Vergleich nicht nur mit die höchsten, sondern auch die am schnellsten steigenden Wasserpreise. Nach Berechnungen des ATTAC-Wasserexperten David Hachfeld haben sie sich in der Hauptstadt von 2000 bis 2005 um 20,7 Prozent erhöht, im Bundesdurchschnitt dagegen nur um acht Prozent. Zugleich sind – aufgrund des vereinbarten »Nachteilsausgleichs« - die Gewinne der BWB zwischen Privaten und öffentlicher Hand immer »disproportionaler« verteil worden: Während das Land Berlin zwischen 1999 und 2007 423,5 Millionen Euro einnahm, hätten die Investoren 949,9 Millionen kassiert, so Hachfeld: 69,1 Prozent für die Privaten, 30,8 Prozent für die Kommune.
Mittlerweile gilt die Teilprivatisierung der BWB in der Hauptstadt weithin als Mißerfolgsgeschichte. Nicht nur die Regierungsparteien SPD und Linke, auch die oppositionellen Grünen sprechen sich für eine Rekommunalisierung aus. Wie jedoch kommt man aus einem derart perfiden Vertragswerk halbwegs glimpflich heraus?

In einer im Mai 2008 veröffentlichten Studie legt Hachfeld denkbare Szenarien dar. Erstens wäre es möglich, die Berliner Verfassung (per Parlamentsbeschluß oder Volksentscheid) so zu ändern, daß die Wasserversorgung komplett zur öffentlichen Aufgabe erklärt würde. Damit könnte ein »wichtiger Grund« zur außerordentlichen Kündigung vorliegen. Allerdings wäre das Land mit einer Klageflut seitens der Investoren und einem erheblichen Prozeßrisiko konfrontiert. Zweitens könnte sich der SDP-Linke-Senat auf den Standpunkt stellen, die Verträge seien aufgrund teilweise sittenwidriger Passagen nichtig. Der Umgehungsparagraph 23.7, der allein zu dem Zweck konstruiert wurde, ein mögliches, und dann tatsächlich ergangenes, Urteil des Verfassungsgerichts auszuhebeln, könnte ein solcher Ansatzpunkt sein. Drittens: Das Land könnte mit den Privaten in Verhandlungen über einen Rückkauf eintreten. Und schließlich könnte der Senat gemäß Artikel 15 (1) des Grundgesetzes »Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel (...) zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz ... in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft« überführen.

All diese Optionen sind aber undurchführbar, ohne zur Konfrontation mit den privatkapitalistischen Interessen der Investoren und ohne Mobilisierung der Bevölkerung. Dazu fehlen SPD und Linkspartei in Berlin ganz offenkundig politischer Wille und Courage. Das Mindeste aber, was dieser Senat tun könnte und müßte, wäre die sofortige, ordnungsgemäße Kündigung des Vertrages. Auch wenn diese erst 2029 wirksam würde, verpflichtet die Vereinbarung alle Beteiligten »unverzüglich ... Verhandlungen über eine einvernehmliche Abwicklung ... aufzunehmen.«

links:

David Hachfeld: Die Berliner Wasserbetriebe rekommunalisieren - aber wie?

»... die geringeren Gewinne auszugleichen«

Dokumentiert: Der Geheimvertrag zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (Auszüge)

23.1. Führt das Land Berlin nach Abschluß diese Vertrages neue Abgaben im Sinne der Wassertarifverordnung (...) ein oder erhöht es nach Abschluß dieses Vertrages derartige Abgaben, welche ... bei der Bemessung der Tarife nicht berücksichtigt werden können, verpflichtet sich das Land Berlin, der BB-AG die dadurch verursachten geringeren Gewinne oder höheren Verluste ... durch eine teilweise oder vollständige Abtretung des Gewinnanspruchs des Landes Berlin ... für das jeweilige Geschäftsjahr auszugleichen. Sofern der abgetretene Gewinnanspruch ... niedriger ist als der auszugleichende Betrag, wird das Land Berlin der BB-AG den Differenzbetrag erstatten. (...)

23.2. Überträgt das Land Berlin nach Abschluß dieses Vertrages der BWB durch oder aufgrund eines Gesetzes eine zusätzliche Aufgabe und führt die 
Wahrnehmung dieser Aufgabe zu wirtschaftlichen Nachteilen der BWB ..., so verpflichtet sich das Land Berlin, der BB-AG die dadurch verursachten geringeren
Gewinne oder höheren Verluste (...) auszugleichen.

23.3. Ändert das Land Berlin nach Abschluß dieses Vertrages das Berliner Betriebegesetz, das Teilprivatisierungsgesetz, das Berliner Wassergesetz oder
die Wassertarifverordnung ..., und entsteht der BWB daraus ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Nachteil, ...so verpflichtet sich das Land Berlin, der BB-AG die dadurch verursachten geringeren Gewinne oder höheren Verluste ... auszugleichen. (...)

23.5. Fordert das Land Berlin ... aufgrund des Berliner Straßengesetzes ... Entgelte für die Sondernutzung öffentlicher Straßen ..., verpflichtet sich das Land Berlin, der BB-AG die dadurch verursachten geringeren Gewinne oder höheren Verluste ... auszugleichen.

23.7 Wird § 3 TPrG ganz oder teilweise für nichtig oder aufgrund einer Entscheidung eines Verfassungsgerichts mit höherrangigem Recht für unvereinbar erklärt (»Nichtigerklärung«) und führt die Nichtigerklärung zu wirtschaftlichen Nachteilen der BWB(»Nachteile«), so ist das Land Berlin verpflichtet, unverzüglich gemeinsam mit der BWB, der Holding und der BB-AG zu prüfen, welche rechtlichen und/oder tatsächlichen Maßnahmen geeignet sind, die Nachteile dar BWB in vollem Umfang auszugleichen. Der Senat von Berlin wird insbesondere prüfen, ob die Nachteile durch eine Novellierung des TPrG ausgeglichen werden können. Ferner wird das Land Berlin gemeinsam mit der BWB, der Holding und der BB-AG nach besten Kräften versuchen, strukturelle, operative und sonstige unternehmerische Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der BWB-Gruppe, insbesondere im Kerngeschäft und Wettbewerbsgeschäft, vorzubereiten und durchzuführen, welche die Nachteile der BWB ausgleichen können. Soweit die Nachteile der BWB durch die ... genannten Maßnahmen nicht ausgeglichen werden, da das Land Berlin die ihm möglichen Maßnahmen nicht getroffen oder an den von der Holding und der BB-AG vorgeschlagenen Maßnahmen nicht mitgewirkt hat, ... verpflichtet sich das Land Berlin, der BB-AG die geringeren Gewinne oder höheren Verluste ... in vollem Umfang auszugleichen. (...) Der Ausgleich ... erfolgt durch eine teilweise oder vollständige Abtretung des Gewinnanspruchs des Landes Berlin gegen die BWB für das jeweilige Geschäftsjahr. Sofern der abgetretene Gewinnanspruch des Landes Berlin niedriger ist als der auszugleichende Betrag, wird das Land Berlin der BB-AG den Differenzbetrag erstatten. (...)

34.1 Dieser Vertrag ist auf unbestimmte Dauer abgeschlossen.

34.2 Dieser Vertrag kann mit einer Frist von fünf Jahren zum Ende eines Kalenderjahres, erstmals jedoch zum 31. Dezember 2028 gekündigt werden.

34.3. Das Recht, diesen Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, bleibt unberührt. (...)

43.1 Die Vertragsparteien verpflichten sich, über den Inhalt dieses Vertrages und der anderen in diesem Vertrag genannten Verträge sowie der Vertragsverhandlungen Stillschweigen zu bewahren, soweit nicht aufgrund gesetzlicher Vorgaben eine Verpflichtung zur Offenlegung besteht (...) 

Berlin, 29.10.1999

19 März 2009

Schluss mit TOP SECRET: "Berliner Wassertisch" legt Textpassagen aus dem geheimen Konsortialvertrag offen

22. März 09:

WELTWASSERTAG 2009

www.WeltWasserTag.net

Sonntag, 22. März 2009, 12 bis 16.30 Uhr

Veranstaltung zum Internationalen Weltwassertag

"Die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe und ihre Geheimnisse" Warum im internationalen Städtevergleich die Berliner Wasserpreise so teuer sind

Programm:


1. Prof. Kreysig: Die Trinkwasserversorgung Berlins in ihrer historischen Entwicklung
2. Schluss mit TOP SECRET: Vorstellung und Diskussion von Textpassagen aus dem geheimen Konsortialvertrag und anderen vertraulichen Dokumenten durch Gerlinde Schermer (MdA - ehem.) und Thomas Rudek (Berliner Wassertisch)
3. Filmvorstellung: Flow - Wasser ist Leben

Veranstaltungsort: Blauer Salon am Hafenplatz, Köthener Str. 28, Erdgeschoss, Nähe Potsdamer Platz, U-B Mendelssohn-Bartholdy-Park (U2), Bus 129