28 Dezember 2007

Berliner Wasser: Endspurt im Volksbegehren

25000 fordern Offenlegung der Privatisierungsverträge. SPD-Finanzsenator beharrt auf Geheimhaltung

Von Jörn Boewe, jW 29. Dez. 2007


Rund 25000 Unterschriften für das Volksbegehren »Schluß mit den Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück« sind bislang eingegangen, ein Viertel mehr als nötig. Bis Ende Januar wird weitergesammelt: »Mit 30000 Unterschriften sind wir auf der sicheren Seite«, sagte Thomas Rudek vom »Berliner Wassertisch« am Freitag gegenüber jW. Die in der Vorweihnachtswoche amtlich genehmigte nächste Preisrunde dürfte für einen zusätzlichen Motivationsschub sorgen: Ab 1. Januar steigen die Tarife um 1,9 Prozent. Die durchschnittliche Mehrbelastung für einen Vier-Personen-Haushalt liegt nach Angaben der Berliner Wasserbetriebe (BWB) bei rund 17 Euro im Jahr und »unterhalb der Infla-tionsrate«, wie das Unternehmen betont. Seit der Senat 1999 49,9 Prozent der BWB-Anteile an ein privates Investorenkonsortium verkaufte, sind die Preise allerdings um 26 Prozent gestiegen. Die Berliner haben mittlerweile das teuerste Wasser aller deutschen Großstädte. Daß dies mit einer exorbitanten Renditegarantie zu tun hat, die CDU und SPD den privaten Investoren damals zusicherten, wird von Senat und Unternehmensführung seit Jahren vehement bestritten. Die Verträge sind geheim.

20000 Unterschriften wahlberechtigter Berliner müssen laut Landesverfassung innerhalb von vier Monaten zusammenkommen, um »das Abgeordnetenhaus im Rahmen seiner Entscheidungszuständigkeiten mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung, die Berlin betreffen, zu befassen«. Dafür hat es dann weitere vier Monate Zeit. Wie es aussieht, wird das Parlament also noch vor der Sommerpause den Entwurf für ein »Gesetz zur Publizitätspflicht im Bereich der Berliner Wasserwirtschaft« erörtern müssen. Daß es ihn annimmt, ist unwahrscheinlich. Zwar haben sich Anfang Oktober sowohl der private Anteilseigner Veolia als auch Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke) für eine Offenlegung der Verträge ausgesprochen. RWE, der zweite private Teilhaber, erklärte, eine mögliche Veröffentlichung wohlwollend zu prüfen. Doch die vom Sozialdemokraten Thilo Sarrazin geführte Senatsverwaltung für Finanzen stellt sich »eindeutig dagegen«, wie eine Sprecherin auf jW-Nachfrage erklärte. An dieser Haltung würde sich auch nichts ändern, wenn Veolia und RWE einer Veröffentlichung zustimmten. Für die Finanzverwaltung gehe es um »eine grundsätzliche Erwägung, unabhängig davon, was bei den Privaten diskutiert wird«. Die Teilprivatisierung war seinerzeit unter Verantwortung von Sarrazins Vorgängerin Annette Fugmann-Heesing (SPD) zustandegekommen, wie auch der Verkauf des Stromversorgers Bewag, der Gasag und der Wohnungsbaugesellschaft Gehag. Heute ist Fugmann-Heesing als selbständige Unternehmensberaterin im Bereich »Public Private Partnership« unterwegs.

Wie ernst es dem Senat mit der Geheimhaltung ist, konnte die Abgeordnete Heidi Kosche erfahren, die für die Grünen im Landesparlament sitzt. Anfang Juni stellte sie einen Antrag auf Einsicht in eine ganze Liste von Neben- und Ergänzungsverträgen zur BWB-Privatisierung. Als Abgeordnete hat sie ein viel weitergehendes Akteneinsichtsrecht als normale Bürger, das laut Artilkel 45 (2) der Berliner Verfassung nur verweigert werden darf, wenn es »zwingend« erforderlich ist. Nach fast sieben Monaten hat Kosche noch immer keinen Bescheid erhalten, geschweige denn Einblick in die Unterlagen.

Mitmachen beim Volksbegehren: 0163 / 664 87 39
berliner-wassertisch.net

10 Dezember 2007

Wolf vermeidet Akten

Seit 2004 werden Anträge auf Wasser- und Strompreiserhöhungen in der Berliner Wirtschaftsverwaltung nicht mehr dokumentiert. Jetzt schreitet das OVG ein

Von Jörn Boewe, jW 10. Dez. 2007


Der Senat von Berlin will bürokratische Regelungen, die unternehmerisches Handeln unnötig einschränken, vereinfachen oder abschaffen, wo immer dies möglich ist«, heißt es in einem Aufruf von Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke) an die Unternehmer der Hauptstadt. Beim Aufbau einer »wirtschaftsfreundlichen Verwaltung« hat Wolf in seinen bislang fünf Amtsjahren Beachtliches geleistet, doch in der vergangenen Woche mußte er einen herben Rückschlag einstecken. Eine der zentralen Innovationen seiner Amtszeit– die Verschlankung des Tarifgenehmigungsverfahrens für Versorgungsunternehmen – wird jetzt von der Justiz torpediert.

Nach einer am Mittwoch bekanntgewordenen Urteilsbegründung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg wird das Land verpflichtet, bestimmte Akten »wiederzubeschaffen«, die Wolfs Verwaltung im Zuge ihres Bürokratieabbaus voreilig aus der Hand gegeben hatte. Es handelt sich um Antragsunterlagen, die die Berliner Wasserbetriebe (BWB) 2003 bei der Tarifgenehmigungsbehörde eingereicht hatten. Diese war der damaligen Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen (SenWAF) zugeordnet.

Das Land Berlin hatte 1999 knapp die Hälfte seiner Anteile an den kommunalen Wasserbetrieben an ein privates Investorenkonsortium verkauft. Das teilprivatisierte Unternehmen wurde verpflichtet, die Preise bis Ende 2003 stabil zu halten. 2004 sollten sie endlich steigen, und zwar um ganze 15 Prozent. Allerdings mußten sich die BWB die Anhebung von Wolfs Behörde genehmigen lassen und reichten dazu ihre Kalkulation samt Gutachten einer Wirtschaftsprüfgesellschaft ein.Im Dezember 2003 wurde der Antrag bewilligt. Am 16. August 2004 stellte der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) bei SenWAF einen Antrag auf Akteneinsicht nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz. Wolfs Verwaltung schickte die Papiere daraufhin an die Wasserbetriebe zurück. Dem BBU teilte man mit, daß dem Einsichtsverlangen nicht stattgegeben werden könne, schließlich habe man keine Unterlagen mehr. Seit April 2004 ist diese »Aktenführung« im Hause Wolf gängige Praxis – nicht nur bei den Wassertarifen, sondern auch bei den Strompreisen. Noch Anfang November 2006 rechtfertigte Wolfs Staatssekretär Volkmar Strauch (SPD) in einem Brief an den BBU das Verfahren, bei dem »die behördliche Entscheidung zwar auf der Auswertung eingereichter Unterlagen Dritter beruht, nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung aber nur eine Aufbewahrung des abgeschlossenen Amtsvorgangs, nicht aber eine Zurückbehaltung der Unterlagen Dritter notwendig ist«.

Nach zweijährigem Prozessieren durch die Instanzen hat der BBU Anfang Oktober vor dem OVG nicht nur sein Aktenseinsichtsrecht erstritten; mit der Urteilsbegründung ist das Land Berlin nun auch verpflichtet worden, die Akten wiederzubeschaffen. Harald Wolfs Verwaltung ist allerdings fein raus: Anfang 2007 wurde die Tarifgenehmigungsbehörde des Landes der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz von Wolfs Genossin Katrin Lompscher zugeteilt. Dort ist man sich der Tragweite des OVG-Urteils offenbar noch gar nicht bewußt: »Wir haben damit nichts zu tun«, erklärte eine Sprecherin am Freitag auf jW-Nachfrage.

06 Dezember 2007

Teilsieg im Volksbegehren

Unterschriftenliste fast komplett: »Schluß mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück«. Noch bis 31. Januar wird gesammelt

Von Jörn Boewe, jW 6. Dez. 2007

Die erste Hürde im Volksbegehren für die Offenlegung der Verträge über die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) ist praktisch genommen. Bislang seien 19128 Unterschriftsbögen im Organsiationsbüro eingegangen, heißt es in einer Erklärung des »Berliner Wassertischs« vom Mittwoch. »Immer mehr Menschen beteiligen sich und sammeln für unseren Gesetzentwurf entweder im unmittelbaren persönlichen Umfeld oder aktiv in der Öffentlichkeit«, erklärte Thomas Rudek, einer der Initiatoren des Volksbegehrens. »Viele wußten nichts von den Geheimverträgen zwischen dem Berliner Senat und den Konzernen RWE und Veolia und sind nun entsetzt, wie wir von Politik und Wirtschaft informativ entmündigt werden«, so Rudek weiter.

1999 hatte der damalige CDU-SPD-Senat 49,9 Prozent der BWB an die beiden Konzerne RWE und Vivendi (heute Veolia) verkauft. Die Stadt erhielt knapp 1,69 Milliarden Euro. Die beiden Konzerne bekamen vom Senat im Gegenzug eine Renditegarantie für 28 Jahre. Die beschert ihnen Einnahmen, die, auf das heutige Datum »abgezinst« – wie das die Buchhalter nennen – einer Summe von 3,25 Milliarden Euro entsprechen. Der Vertrag wird bislang geheimgehalten.

Allerdings hat das Volksbegehren die Dinge schon ein bißchen durcheinandergewirbelt. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke), dessen Haus bislang als Trutzburg der Geheimniskrämerei galt, sprach sich am 11. Oktober im Abgeordnetenhaus für eine Offenlegung der Verträge aus – sofern die privaten Teilhaber nichts dagegen hätten. Fünf Tage zuvor hatte Veolia-Sprecher Helmut Lölhöffel öffentlich erklärt, daß sich sein Unternehmen einer Offenlegung nicht entgegenstellen würde. »Der Senat weiß, daß wir für eine weitgehende Veröffentlichung sind«, bekräftigte Lölhöffel Ende Oktober gegenüber jW. Im übrigen sei das schon seit längerem die Position von Veolia.

Nicht so eindeutig liegen die Dinge bei RWE. Dort prüft man seit einigen Wochen, konnte sich aber bislang nicht zu einer abschließenden Position durchringen. »Da hängt einiges dran, und wir wollen nichts gegen den Senat unternehmen«, so Eric Beckedahl, Leiter des »Projekts Berlin« bei REW Aqua gestern gegenüber jW. Von den Äußerungen Wolfs sei man »überrascht« gewesen, denn bislang habe »sich der Senat immer anders positioniert«. Jetzt suche man zunächst Antwort auf die Frage: »Wie sieht der Senat das wirklich?«

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hat sich zu den Ankündigungen Wolfs bislang nicht geäußert. Ende Oktober hieß es auf Nachfrage, man prüfe, gestern prüfte man noch immer. Das Problem ist, daß man bei der Finanzverwaltung (SenFin) in dieser Angelegenheit nie sicher sein kann, wer prüft – die Verwaltung selbst oder die Anwälte von Freshfields Bruckhaus Deringer. Bescheide, mit denen SenFin in den letzten Jahren Anträge auf Akteneinsicht in die Geheimverträge ablehnte, waren in weiten Teilen wortgleich mit einem Gutachten, das die internationale Wirtschaftskanzlei für die privaten Anteilseigner erstellt hatte.

05 Dezember 2007

Transparenz im Trüben

Berliner Wasserbetriebe stellen Handbuch zur Tarifkalkulation vor. Wieviel von ihrem Rechnungsbetrag an private Investoren fließt, erfahren die Verbraucher daraus nicht

Von Jörn Boewe, junge Welt, 5.12.07

Das Berliner Leitungswasser ist ziemlich kalkhaltig, ansonsten aber von sehr guter Qualität. Ob diese allerdings den aktuellen Preis von 4,71 Euro je Kubikmeter inklusive Schmutzwasserentgelt rechtfertigt, ist schwer zu durchschauen. Bislang war das – zumindest für Otto Normalverbraucher – eine eher trübe Angelegenheit, doch von nun an soll alles kristallklar werden. Am Dienstag haben die Berliner Wasserbetriebe (BWB) ein Handbuch zur Tarifkalkulation vorgestellt, das »einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion über Trink- und Abwassertarife und zugleich zur Transparenz« leisten soll, erklärte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke), zugleich BWB-Aufsichtsrats-chef. Die 20seitige Broschüre erläutert – ohne allzuviel konkrete Zahlen zu nennen – in allgemeinverständlicher Form Rechtsgrundlagen und Struktur der Berechnung. Anfang 2008 wollen die BWB zudem ihre gesamte Tarifkalkulation offenlegen.
Diese »Transparenzoffensive« kommt nicht von ungefähr. Anfang Oktober erstritt der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) vor dem Oberverwaltungsgericht das Recht auf Akteneinsicht in die Kalkulationsunterlagen für 2004.
Wenn’s rück- und seitwärts nicht mehr geht, muß man eben vorwärtspreschen: »Wir haben nie verweigert, unsere Unterlagen herauszugeben«, sagte BWB-Vorstandschef Jörg Simon gestern. Jedenfalls, fügte er hinzu, »im Rahmen von Gerichtsprozessen«. Daß das dann auch schon mal zwei Jahre dauern und durch die Instanzen gehen muß, ist nicht Schuld der Wasserbetriebe.
Zur Zeit entwickeln die Hauptstädter ein gewisses Interesse an der Frage, warum sie mittlerweile bundesweit fast die höchsten Wasserpreise zahlen müssen. Schließlich leidet das Berliner Urstromtal chronisch eher unter einem zu hohen Grundwasserstand denn unter Trockenheit. Nach oben gingen die Preise, nachdem das Land 1999 genau 49,9 Prozent der BWB an die Konzerne RWE und Veolia (damals Vivendi) verkaufte und diesen in einem Geheimvertrag eine Mindestrendite von jeweils zwei Prozent über dem Zinssatz langjähriger Bundesschatzbriefe garantierte. Seit 2003 sind die Tarife um 26 Prozent gestiegen. Zum 1. Januar ist die nächste Anhebung um 1,9 Prozent genehmigt. Vor diesem Hintergrund sieht es so aus, als ob das im Sommer gestartete Volksbegehren zur Offenlegung der Geheimverträge immerhin die erste Hürde von 20000 Unterschriften schaffen könnte – auch ohne die Unterstützung der Linkspartei.
Die interessante Frage, wie groß der Teil ihrer Wasserrechnung ist, den die Berliner als Rendite an die privaten Anteilseigner zahlen, wird mit dem Kalkulationshandbuch freilich nicht beantwortet. Allerdings, und darin besteht ihr aufklärerischer Wert, macht die Broschüre transparenter, in welchen buchhalterischen Posten er sich versteckt: Es ist die 2003 auf Initiative von Linkspartei-Senator Wolf eingeführte »Abschreibung auf Wiederbeschaffungszeitwerte« sowie der vom Land verordnete »Zinssatz auf das betriebsnotwendige Kapital«. Beide sind im bundesweiten Vergleich »außergewöhnlich«, räumte Simon gestern ein. So brachte die veränderte Abschreibungsmethode den BWB 2004 auf einen Schlag um 55,2 Millionen Euro höhere kalkulatorische Kosten, die auf die Tarife umgelegt wurden. Der Verordnungszinssatz – Grundlage für den Gewinn – beträgt derzeit 7,77 Prozent. Auch hier liegt die Hauptstadt weit über dem Durchschnitt: Bundesweit üblich seien »zwischen drei und sieben, acht Prozent«, sagte Simon auf jW-Nachfrage.