08 Dezember 2009

Was sich ändert

Nach nun fast fünf Jahren wird dieser Blog eingestellt. Neue Veröffentlichungen zum Thema finden sich künftig hier: http://jboe-reporting.blogspot.com/search/label/Berliner%20Wasser%20-%20alles%20klar%3F

20 März 2009

»Sizilianisierung der Gewinne«

Das Gaunerstück um die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe jährt sich 2009 zum zehnten Mal. Der SPD-Linke-Senat tritt verbal für die Rekommunalisierung ein. Unternommen hat er bislang nichts

Von Jörn Boewe

»Die Koalition setzt sich für die Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) ein«, heißt es in der Koalitionsvereinbarung von Berliner SPD und Linkspartei vom Herbst 2006. Der- Passus fand nicht von ungefähr Eingang in den Vertrag: Die 1999 von der damaligen Berliner großen Koalition aus CDU und SPD vorgenommene Teilprivatisierung der vormals öffentlichen Wasserwerke hatte den Berlinern innerhalb weniger Jahre Wasserpreise eingebracht, die zu den höchsten im Vergleich mit anderen deutschen und europäischen Großstädte gehören.

Der Preise gingen nach oben, nachdem CDU und SPD 49,9 Prozent der Landesanteile an den BWB an eine Beteiligungsgesellschaft (»BB-AG«) der transnationalen Konzerne RWE und Veolia verkaufte. Treibende Kraft war dabei nicht die CDU, sondern die SPD in Gestalt ihrer damaligen Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing. Durch die Privatisierung sollte nicht nur frisches Geld in die Landeskasse kommen. Die Dienstleistungen sollten auch besser und billiger werden.

Damit die beiden Konzerne kein unternehmerisches Risiko eingehen mussten, garantierte ihnen das Land Berlin eine Mindestrendite: »Als angemessene kalkulatorische Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals gilt die durchschnittliche Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen in einem Zeitraum von 20 Jahren, die der jeweiligen Kalkulationsperiode vorausgehen, zuzüglich zwei Prozentpunkte«, (»r+2 Prozent«) wurde ins Teilprivatisierungsgesetz geschrieben.

Eine investorenfreundliche Regelung: Egal wie die Geschäfte laufen würden – ein Gewinn zwischen sechs und neun Prozent war für drei Jahrzehnte garantiert. Notfalls, so verpflichtete sich der Senat, würde Berlin ihn eben aus dem Landeshaushalt zahlen.

Die Wirtschaftskanzleien, von denen sich das Land Berlin und seine privaten »Partner« Vertrags- und Gesetzentwurf schreiben ließen, gingen auf Nummer sicher: Sollte irgendetwas dazwischen kommen, was den vereinbarten Gewinnanspruch der Investoren schmälern könnte – Gesetz, Verfassung, höchstrichterliches Urteil - wäre das Land Berlin verpflichtet, nach Mitteln und Wegen zu suchen, den privaten Anteilseignern, die einmal abgemachte Rendite irgendwie dennoch zukommen zu lassen.

Diese »Nachteilsausgleichsklausel« war geradezu prophetisch. Schon 1999 erklärte der Berliner Verfassungsgerichtshof die Renditegarantie von »r+zwei Prozent« für verfassungswidrig. Gekündigt wurde der Vertrag vom Land deswegen nicht. Vier Jahre blieben die Dinge in der Schwebe, dann fand die neue Berliner Mitte-Links-Regierung eine kreative Lösung. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke), der Ende der 90er Jahre als Oppositionsführer im Abgeordnetenhaus noch einer energischsten Gegner der Teilprivatisierung war, ließ Vertrag und Gesetz insoweit verändern, daß den Privaten seither dank einer günstigeren Abschreibungsmethode und qua amtlicher Verordnung der Verzinsung ihres Kapitals »die Nachteile in vollem Umfang« ausgeglichen werden.

Frau Fugmann-Heesing ist seit 2002 als »selbständige Unternehmensberaterin« tätig, und berät Kommunen dabei, ihr Tafelsilber an Finanzinvestoren zu verschleudern. Daß sie immer noch ein Mandat im Abgeordnetenhaus von Berlin innehat, dürfte ihr dabei zugute kommen. Zur Ehrenrettung der SPD muß man hinzufügen, daß eine der scharfsinnigsten und hartnäckigsten Kritikerinnen der BWB-Privatisierung ebenfalls das rote Parteibuch in der Tasche trägt: Die frühere Abgeordnete Gerlinde Schermer vom linken Parteiflügel charakterisierte den Berliner Wasser seinerzeit treffend: Es gehe nicht um die Sozialisierung von Verlusten und die Privatisierung von Gewinnen, sondern um die »Sizilianisierung von Gewinnen«. (Gerlinde Schermer verlor ihr Mandat 1999, weil sie nach Worten ihres SPD-Kreisverbandschefs Frank Lewitz "permanent Politik gegen ihre eigene Partei" gemacht hatte.)

Mittlerweile haben die Berliner im Vergleich nicht nur mit die höchsten, sondern auch die am schnellsten steigenden Wasserpreise. Nach Berechnungen des ATTAC-Wasserexperten David Hachfeld haben sie sich in der Hauptstadt von 2000 bis 2005 um 20,7 Prozent erhöht, im Bundesdurchschnitt dagegen nur um acht Prozent. Zugleich sind – aufgrund des vereinbarten »Nachteilsausgleichs« - die Gewinne der BWB zwischen Privaten und öffentlicher Hand immer »disproportionaler« verteil worden: Während das Land Berlin zwischen 1999 und 2007 423,5 Millionen Euro einnahm, hätten die Investoren 949,9 Millionen kassiert, so Hachfeld: 69,1 Prozent für die Privaten, 30,8 Prozent für die Kommune.
Mittlerweile gilt die Teilprivatisierung der BWB in der Hauptstadt weithin als Mißerfolgsgeschichte. Nicht nur die Regierungsparteien SPD und Linke, auch die oppositionellen Grünen sprechen sich für eine Rekommunalisierung aus. Wie jedoch kommt man aus einem derart perfiden Vertragswerk halbwegs glimpflich heraus?

In einer im Mai 2008 veröffentlichten Studie legt Hachfeld denkbare Szenarien dar. Erstens wäre es möglich, die Berliner Verfassung (per Parlamentsbeschluß oder Volksentscheid) so zu ändern, daß die Wasserversorgung komplett zur öffentlichen Aufgabe erklärt würde. Damit könnte ein »wichtiger Grund« zur außerordentlichen Kündigung vorliegen. Allerdings wäre das Land mit einer Klageflut seitens der Investoren und einem erheblichen Prozeßrisiko konfrontiert. Zweitens könnte sich der SDP-Linke-Senat auf den Standpunkt stellen, die Verträge seien aufgrund teilweise sittenwidriger Passagen nichtig. Der Umgehungsparagraph 23.7, der allein zu dem Zweck konstruiert wurde, ein mögliches, und dann tatsächlich ergangenes, Urteil des Verfassungsgerichts auszuhebeln, könnte ein solcher Ansatzpunkt sein. Drittens: Das Land könnte mit den Privaten in Verhandlungen über einen Rückkauf eintreten. Und schließlich könnte der Senat gemäß Artikel 15 (1) des Grundgesetzes »Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel (...) zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz ... in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft« überführen.

All diese Optionen sind aber undurchführbar, ohne zur Konfrontation mit den privatkapitalistischen Interessen der Investoren und ohne Mobilisierung der Bevölkerung. Dazu fehlen SPD und Linkspartei in Berlin ganz offenkundig politischer Wille und Courage. Das Mindeste aber, was dieser Senat tun könnte und müßte, wäre die sofortige, ordnungsgemäße Kündigung des Vertrages. Auch wenn diese erst 2029 wirksam würde, verpflichtet die Vereinbarung alle Beteiligten »unverzüglich ... Verhandlungen über eine einvernehmliche Abwicklung ... aufzunehmen.«

links:

David Hachfeld: Die Berliner Wasserbetriebe rekommunalisieren - aber wie?

»... die geringeren Gewinne auszugleichen«

Dokumentiert: Der Geheimvertrag zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (Auszüge)

23.1. Führt das Land Berlin nach Abschluß diese Vertrages neue Abgaben im Sinne der Wassertarifverordnung (...) ein oder erhöht es nach Abschluß dieses Vertrages derartige Abgaben, welche ... bei der Bemessung der Tarife nicht berücksichtigt werden können, verpflichtet sich das Land Berlin, der BB-AG die dadurch verursachten geringeren Gewinne oder höheren Verluste ... durch eine teilweise oder vollständige Abtretung des Gewinnanspruchs des Landes Berlin ... für das jeweilige Geschäftsjahr auszugleichen. Sofern der abgetretene Gewinnanspruch ... niedriger ist als der auszugleichende Betrag, wird das Land Berlin der BB-AG den Differenzbetrag erstatten. (...)

23.2. Überträgt das Land Berlin nach Abschluß dieses Vertrages der BWB durch oder aufgrund eines Gesetzes eine zusätzliche Aufgabe und führt die 
Wahrnehmung dieser Aufgabe zu wirtschaftlichen Nachteilen der BWB ..., so verpflichtet sich das Land Berlin, der BB-AG die dadurch verursachten geringeren
Gewinne oder höheren Verluste (...) auszugleichen.

23.3. Ändert das Land Berlin nach Abschluß dieses Vertrages das Berliner Betriebegesetz, das Teilprivatisierungsgesetz, das Berliner Wassergesetz oder
die Wassertarifverordnung ..., und entsteht der BWB daraus ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Nachteil, ...so verpflichtet sich das Land Berlin, der BB-AG die dadurch verursachten geringeren Gewinne oder höheren Verluste ... auszugleichen. (...)

23.5. Fordert das Land Berlin ... aufgrund des Berliner Straßengesetzes ... Entgelte für die Sondernutzung öffentlicher Straßen ..., verpflichtet sich das Land Berlin, der BB-AG die dadurch verursachten geringeren Gewinne oder höheren Verluste ... auszugleichen.

23.7 Wird § 3 TPrG ganz oder teilweise für nichtig oder aufgrund einer Entscheidung eines Verfassungsgerichts mit höherrangigem Recht für unvereinbar erklärt (»Nichtigerklärung«) und führt die Nichtigerklärung zu wirtschaftlichen Nachteilen der BWB(»Nachteile«), so ist das Land Berlin verpflichtet, unverzüglich gemeinsam mit der BWB, der Holding und der BB-AG zu prüfen, welche rechtlichen und/oder tatsächlichen Maßnahmen geeignet sind, die Nachteile dar BWB in vollem Umfang auszugleichen. Der Senat von Berlin wird insbesondere prüfen, ob die Nachteile durch eine Novellierung des TPrG ausgeglichen werden können. Ferner wird das Land Berlin gemeinsam mit der BWB, der Holding und der BB-AG nach besten Kräften versuchen, strukturelle, operative und sonstige unternehmerische Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der BWB-Gruppe, insbesondere im Kerngeschäft und Wettbewerbsgeschäft, vorzubereiten und durchzuführen, welche die Nachteile der BWB ausgleichen können. Soweit die Nachteile der BWB durch die ... genannten Maßnahmen nicht ausgeglichen werden, da das Land Berlin die ihm möglichen Maßnahmen nicht getroffen oder an den von der Holding und der BB-AG vorgeschlagenen Maßnahmen nicht mitgewirkt hat, ... verpflichtet sich das Land Berlin, der BB-AG die geringeren Gewinne oder höheren Verluste ... in vollem Umfang auszugleichen. (...) Der Ausgleich ... erfolgt durch eine teilweise oder vollständige Abtretung des Gewinnanspruchs des Landes Berlin gegen die BWB für das jeweilige Geschäftsjahr. Sofern der abgetretene Gewinnanspruch des Landes Berlin niedriger ist als der auszugleichende Betrag, wird das Land Berlin der BB-AG den Differenzbetrag erstatten. (...)

34.1 Dieser Vertrag ist auf unbestimmte Dauer abgeschlossen.

34.2 Dieser Vertrag kann mit einer Frist von fünf Jahren zum Ende eines Kalenderjahres, erstmals jedoch zum 31. Dezember 2028 gekündigt werden.

34.3. Das Recht, diesen Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, bleibt unberührt. (...)

43.1 Die Vertragsparteien verpflichten sich, über den Inhalt dieses Vertrages und der anderen in diesem Vertrag genannten Verträge sowie der Vertragsverhandlungen Stillschweigen zu bewahren, soweit nicht aufgrund gesetzlicher Vorgaben eine Verpflichtung zur Offenlegung besteht (...) 

Berlin, 29.10.1999

19 März 2009

Schluss mit TOP SECRET: "Berliner Wassertisch" legt Textpassagen aus dem geheimen Konsortialvertrag offen

22. März 09:

WELTWASSERTAG 2009

www.WeltWasserTag.net

Sonntag, 22. März 2009, 12 bis 16.30 Uhr

Veranstaltung zum Internationalen Weltwassertag

"Die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe und ihre Geheimnisse" Warum im internationalen Städtevergleich die Berliner Wasserpreise so teuer sind

Programm:


1. Prof. Kreysig: Die Trinkwasserversorgung Berlins in ihrer historischen Entwicklung
2. Schluss mit TOP SECRET: Vorstellung und Diskussion von Textpassagen aus dem geheimen Konsortialvertrag und anderen vertraulichen Dokumenten durch Gerlinde Schermer (MdA - ehem.) und Thomas Rudek (Berliner Wassertisch)
3. Filmvorstellung: Flow - Wasser ist Leben

Veranstaltungsort: Blauer Salon am Hafenplatz, Köthener Str. 28, Erdgeschoss, Nähe Potsdamer Platz, U-B Mendelssohn-Bartholdy-Park (U2), Bus 129

15 Oktober 2008

Lobbyisten weiter fest im Sattel

Regierungsrichtlinie zur Begrenzung des Einflusses »externer Mitarbeiter« wird nur zögerlich umgesetzt

Von Jörn Boewe, jW 15. Okt. 2008

Die Rolle von Lobbyisten in den Bundesministerien ist, trotz eines geringfügigen quantitativen Rückgangs, nach wie vor erheblich. Eine im Sommer von der Bundesregierung beschlossene Verwaltungsrichtlinie, die den Einfluß von Interessengruppen auf politische Entscheidungen begrenzen soll, werde »nicht strikt umgesetzt«, heißt es in einer Erklärung der Organisation Lobbycontrol vom Dienstag. Nach der Richtlinie muß die Regierung halbjährlich einen Bericht zum Einsatz von Lobbyisten vorlegen. »Unsere Nachprüfungen haben gezeigt, daß es dringend nötig ist, der Bundesregierung auf die Finger zu schauen.« So habe das Bundesinnenministerium der Organisation gegenüber eingeräumt, daß der jüngste Bericht »an einer von uns benannten Stelle unvollständig ist«. Auch habe das Bildungsministerium einen Mitarbeiter des VDI-Technologiezentrums nicht aufgeführt, der im Frühjahr dort tätig war.

Nach Informationen von Lobbycontrol ist seit August 2008 die Leiterin des Vorstandsbüros der Berliner Wasserbetriebe für ein halbes Jahr im Entwicklungsministerium im Referat »Wasser; Energie; Stadtentwicklung« eingesetzt. An den Berliner Wasserbetrieben halten die Großkonzerne RWE und Veolia 49,9 Prozent der Anteile. Beide Konzerne sind international in Privatisierungsprojekten im Wasser- und Energiesektor aktiv. Außerdem profitiert der Mutterkonzern der Berliner Wasserbetriebe, die Berlinwasser Holding AG, von Mitteln aus dem Haushalt des Entwicklungsministe­riums. »Eine solche Überschneidung mit den Geschäftsinteressen der entsendenden Unternehmen ist nach der neuen Richtlinie verboten«, betont Lobbycontrol.

Unverändert sei die direkte Mitarbeit in den Ministerien »für finanzstarke Wirtschaftsinteressen« ein »privilegierter Zugang zur Politik«, schreibt die Organisation weiter. Von den 58 im Regierungsbericht aufgelisteten Fällen habe man 18 »Unternehmen und Wirtschaftsverbänden« zuordnen können, nur einen dagegen einer Gewerkschaft.

Angesichts dieser »fortgesetzten undemokratischen Einflußnahme« fordert Lobbycontrol, »die Mitarbeit von Lobbyisten in den Ministerien ganz zu beenden«.

31 Mai 2008

Das Prinzip PPP

Selbstbedienungsladen Staat: Werner Rügemer hat ein Buch zur »Public Private Partnership« vorgelegt

Von Jörn Boewe, jW 31. Mai 2008

Privatisierungen öffentlicher Güter sind in den vergangenen zwei, drei Jahren ein bißchen in Verruf gekommen. Die »Public Private Partnership« (PPP) aber wird von den politischen Eliten hierzulande weiter als Heilsweg aus der Staatsverschuldung propagiert, im schwarzen Bayern nicht viel anders als im »rot-roten« Berlin. Das PPP-Prinzip ist einfach. Der Staat überträgt eine Aufgabe, die er bislang in Eigenregie und auf eigene Rechnung ausführte, an einen privaten Investor. Dies kann der Bau und Betrieb einer Schule oder eines Gefängnisses sein, ein öffentliches Nahverkehrsnetz oder ein System zur Parkraumbewirtschaftung. Der Investor erhält dafür vom Staat eine gewisse Summe, üblicherweise zahlbar in Raten, verteilt über den vertraglich festgesetzten »Lebenszyklus« des Projekts, aber selten mehr als 30 Jahre, was bei öffentlichen Gebäuden ein Witz ist, weil die länger halten sollten. PPP-Befürworter versprechen »Effizienzvorteile« von bis zu 25 Prozent. Nachprüfen kann man das kaum. Kalkulationen und Verträge werden geheimgehalten. Selbst vor den Abgeordneten, die ihnen zustimmen sollen.

Werner Rügemer hat nun die erste systematische PPP-Analyse in deutscher Sprache vorgelegt. Akribisch hat er Zahlen und Fakten über Projekte in Großbritannien und der BRD zusammengetragen, was eine substan­tielle Kritik an den Glaubenssätzen der »PPP-Sekte« (Rügemer) ermöglicht.

Als die PPP-Welle um die Jahrtausendwende ins Rollen kommt, erweisen sich herkömmliche Geschäfte für »Großaktionäre, Unternehmer, Topmanager, Pensionsfonds, Versicherungen«, die »im Geld schwimmen und neue Anlageziele suchen«, wie Rügemer aus der Wirtschaftswoche zitiert, »als zunehmend riskant. Die öffentliche Infrastruktur erweist sich als neue Alternative.« Private Interessengruppen wie die Bertelsmann-Stiftung bereiten strategische Konzepte vor. Regierende Mitte-Links-Parteien – unter Tony Blair und Gerhard Schröder – sind auf der Suche nach einem »nachhaltigen« Modernisierungsprojekt, das es ihnen erlaubt, am ganz großen Rad mitzudrehen.

Nach Blairs Wahlsieg 1997 (»Die traditionelle Finanzierung von Labour durch die Gewerkschaften fiel weg, Blair warb Spenden praktisch nur noch bei Privatunternehmen ein«) sollte die Londoner U-Bahn saniert werden. Die Regierung vergab den Betrieb der »tube« – gegen den erfolglosen Widerstand der Stadtverwaltung unter Bürgermeister Ken Livingston – für 30 Jahre an zwei private Konsortien. »Es wurde vereinbart, daß die beiden Firmengruppen die 275 Stationen, das Streckennetz, die Tunnel, Depots, Signal- und Gleisanlagen erneuern und bis 2032 in Schuß halten.« Dafür sollten die »Investoren« von der Stadt einen Betrag von »etwa« 44 Milliarden Euro erhalten, zahlbar in monatlichen Raten, über einen Vertragszeitraum von 30 Jahren. Gegenüber einer Eigensanierung durch die Stadt sollte dies laut Blair eine Ersparnis von 17 Prozent bedeuten. Mittlerweile fährt in London die teuerste U-Bahn der Welt einfache Fahrt: sechs Euro). Metronet, das größere der beiden Betreiberkonsortien, hat 2007 Insolvenz angemeldet. Sämtliche Schulden trägt der Staat. Wie teuer das Ganze am Ende wird, weiß niemand.

In der BRD wurde PPP unter Schröder/Fischer zur veritablen Option. Im September 2002 stieg der Bund in das »Toll Collect«-Geschäft ein. Ein Konsortium aus Telekom, DaimlerChrysler und dem französischen Konzern Cofiroute sollte bis Ende August 2003 ein System zur Kassierung von entfernungsabhängigen Mautgebühren für LKW installieren und zwölf Jahre lang betreiben – gegen ein monatliches Entgelt aus den Mauteinnahmen. Der Vertrag umfaßt 17000 Seiten und »ist für die Öffentlichkeit, aber auch für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages bis heute eine Black Box«. Details, die bekannt wurden, weil das Konsortium den Fertigstellungstermin um 16 Monate verfehlte, sind aufschlußreich: Dem Bund entgingen Einnahmen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro, als Kompensation entrichtete Toll Collect 240 Millionen Euro Schadensersatz.

Rügemer nimmt auch einige kleinere Projekte unter die Lupe. Im Landkreis Offenbach betreibt ein privates Konsortium 90 Schulen. Vor PPP gab der Landkreis etwa 30 Millionen Euro pro Jahr für die Schulen aus, mittlerweile ist es das Doppelte, »mit steigender Tendenz«. Bei einem in PPP-Manier reformierten Bildungszentrum in Frankfurt/Main wunderten sich Lehrer und Schüler nicht schlecht, als der Betreiber plötzlich Parkgebühren verlangte: »ein Euro pro angefangenene Stunde«.

Schnöde Wirtschaftskriminalität ist nichts als »privat vorgezogene Deregulierung unter Umgehung des Strafgesetzbuches«, wie Rügemers Mitkämpfer im Verein »Business Crime Control«, Hans See, einmal schrieb. Bei PPP handelt es sich um professionell eingefädelte Deals zur Ausplünderung öffentlicher Kassen unter juristisch unanfechtbarem Ausschluß des Bürgerlichen Gesetzbuches. Ein Trick der internationalen Wirtschaftskanzleien ist dabei die »Forfatierung mit Einredeverzicht«: Der private »Partner«, der das Projekt vorfinanziert hat, verkauft seine Forderungen gegenüber der öffentlichen Hand an ein privates Finanzinstitut. Der Staat hat nun keinen »Anspruchsgegner« mehr, gegenüber dem er seine Rechte als Mieter geltend machen könnte, verzichtet also »z. B. auf Mietminderung bei Schlechtleistung«. Berater, die die Verträge ersonnen haben, haften nur für »vorsätzliche« Falschberatung. »Sie wissen: Der Staat wird zahlen, und wenn er dafür die steuer- und gebührenzahlenden Bürger, vor allem die abhängig beschäftigten Lohn- und Gehaltsempfänger noch stärker schröpfen oder zu noch niedrigerer Entlohnung zwingen muß als bisher.«

Kräfte, die dem entgegenwirken, sieht Rügemer weniger bei der auf Mitgestalten ausgerichteten Linkspartei. Er widmet sein Buch »den streikenden Lokführern 2007: Sie kämpften diszipliniert und umsichtig für ihre Rechte und unsere Sicherheit, sie ließen den Privatisierungsgang der Bahn stocken, sie rüttelten am Schlaf der Nation, der Arme und Reiche häßlich vereint«.

Werner Rügemer: »Heuschrecken« im öffentlichen Raum - Public Private Partnership. Anatomie eines globalen Finanzinstruments. Transcript Verlag, Bielefeld 2008, 169 Seiten, 16,80 Euro

28 Dezember 2007

Berliner Wasser: Endspurt im Volksbegehren

25000 fordern Offenlegung der Privatisierungsverträge. SPD-Finanzsenator beharrt auf Geheimhaltung

Von Jörn Boewe, jW 29. Dez. 2007


Rund 25000 Unterschriften für das Volksbegehren »Schluß mit den Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück« sind bislang eingegangen, ein Viertel mehr als nötig. Bis Ende Januar wird weitergesammelt: »Mit 30000 Unterschriften sind wir auf der sicheren Seite«, sagte Thomas Rudek vom »Berliner Wassertisch« am Freitag gegenüber jW. Die in der Vorweihnachtswoche amtlich genehmigte nächste Preisrunde dürfte für einen zusätzlichen Motivationsschub sorgen: Ab 1. Januar steigen die Tarife um 1,9 Prozent. Die durchschnittliche Mehrbelastung für einen Vier-Personen-Haushalt liegt nach Angaben der Berliner Wasserbetriebe (BWB) bei rund 17 Euro im Jahr und »unterhalb der Infla-tionsrate«, wie das Unternehmen betont. Seit der Senat 1999 49,9 Prozent der BWB-Anteile an ein privates Investorenkonsortium verkaufte, sind die Preise allerdings um 26 Prozent gestiegen. Die Berliner haben mittlerweile das teuerste Wasser aller deutschen Großstädte. Daß dies mit einer exorbitanten Renditegarantie zu tun hat, die CDU und SPD den privaten Investoren damals zusicherten, wird von Senat und Unternehmensführung seit Jahren vehement bestritten. Die Verträge sind geheim.

20000 Unterschriften wahlberechtigter Berliner müssen laut Landesverfassung innerhalb von vier Monaten zusammenkommen, um »das Abgeordnetenhaus im Rahmen seiner Entscheidungszuständigkeiten mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung, die Berlin betreffen, zu befassen«. Dafür hat es dann weitere vier Monate Zeit. Wie es aussieht, wird das Parlament also noch vor der Sommerpause den Entwurf für ein »Gesetz zur Publizitätspflicht im Bereich der Berliner Wasserwirtschaft« erörtern müssen. Daß es ihn annimmt, ist unwahrscheinlich. Zwar haben sich Anfang Oktober sowohl der private Anteilseigner Veolia als auch Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke) für eine Offenlegung der Verträge ausgesprochen. RWE, der zweite private Teilhaber, erklärte, eine mögliche Veröffentlichung wohlwollend zu prüfen. Doch die vom Sozialdemokraten Thilo Sarrazin geführte Senatsverwaltung für Finanzen stellt sich »eindeutig dagegen«, wie eine Sprecherin auf jW-Nachfrage erklärte. An dieser Haltung würde sich auch nichts ändern, wenn Veolia und RWE einer Veröffentlichung zustimmten. Für die Finanzverwaltung gehe es um »eine grundsätzliche Erwägung, unabhängig davon, was bei den Privaten diskutiert wird«. Die Teilprivatisierung war seinerzeit unter Verantwortung von Sarrazins Vorgängerin Annette Fugmann-Heesing (SPD) zustandegekommen, wie auch der Verkauf des Stromversorgers Bewag, der Gasag und der Wohnungsbaugesellschaft Gehag. Heute ist Fugmann-Heesing als selbständige Unternehmensberaterin im Bereich »Public Private Partnership« unterwegs.

Wie ernst es dem Senat mit der Geheimhaltung ist, konnte die Abgeordnete Heidi Kosche erfahren, die für die Grünen im Landesparlament sitzt. Anfang Juni stellte sie einen Antrag auf Einsicht in eine ganze Liste von Neben- und Ergänzungsverträgen zur BWB-Privatisierung. Als Abgeordnete hat sie ein viel weitergehendes Akteneinsichtsrecht als normale Bürger, das laut Artilkel 45 (2) der Berliner Verfassung nur verweigert werden darf, wenn es »zwingend« erforderlich ist. Nach fast sieben Monaten hat Kosche noch immer keinen Bescheid erhalten, geschweige denn Einblick in die Unterlagen.

Mitmachen beim Volksbegehren: 0163 / 664 87 39
berliner-wassertisch.net

10 Dezember 2007

Wolf vermeidet Akten

Seit 2004 werden Anträge auf Wasser- und Strompreiserhöhungen in der Berliner Wirtschaftsverwaltung nicht mehr dokumentiert. Jetzt schreitet das OVG ein

Von Jörn Boewe, jW 10. Dez. 2007


Der Senat von Berlin will bürokratische Regelungen, die unternehmerisches Handeln unnötig einschränken, vereinfachen oder abschaffen, wo immer dies möglich ist«, heißt es in einem Aufruf von Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke) an die Unternehmer der Hauptstadt. Beim Aufbau einer »wirtschaftsfreundlichen Verwaltung« hat Wolf in seinen bislang fünf Amtsjahren Beachtliches geleistet, doch in der vergangenen Woche mußte er einen herben Rückschlag einstecken. Eine der zentralen Innovationen seiner Amtszeit– die Verschlankung des Tarifgenehmigungsverfahrens für Versorgungsunternehmen – wird jetzt von der Justiz torpediert.

Nach einer am Mittwoch bekanntgewordenen Urteilsbegründung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg wird das Land verpflichtet, bestimmte Akten »wiederzubeschaffen«, die Wolfs Verwaltung im Zuge ihres Bürokratieabbaus voreilig aus der Hand gegeben hatte. Es handelt sich um Antragsunterlagen, die die Berliner Wasserbetriebe (BWB) 2003 bei der Tarifgenehmigungsbehörde eingereicht hatten. Diese war der damaligen Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen (SenWAF) zugeordnet.

Das Land Berlin hatte 1999 knapp die Hälfte seiner Anteile an den kommunalen Wasserbetrieben an ein privates Investorenkonsortium verkauft. Das teilprivatisierte Unternehmen wurde verpflichtet, die Preise bis Ende 2003 stabil zu halten. 2004 sollten sie endlich steigen, und zwar um ganze 15 Prozent. Allerdings mußten sich die BWB die Anhebung von Wolfs Behörde genehmigen lassen und reichten dazu ihre Kalkulation samt Gutachten einer Wirtschaftsprüfgesellschaft ein.Im Dezember 2003 wurde der Antrag bewilligt. Am 16. August 2004 stellte der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) bei SenWAF einen Antrag auf Akteneinsicht nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz. Wolfs Verwaltung schickte die Papiere daraufhin an die Wasserbetriebe zurück. Dem BBU teilte man mit, daß dem Einsichtsverlangen nicht stattgegeben werden könne, schließlich habe man keine Unterlagen mehr. Seit April 2004 ist diese »Aktenführung« im Hause Wolf gängige Praxis – nicht nur bei den Wassertarifen, sondern auch bei den Strompreisen. Noch Anfang November 2006 rechtfertigte Wolfs Staatssekretär Volkmar Strauch (SPD) in einem Brief an den BBU das Verfahren, bei dem »die behördliche Entscheidung zwar auf der Auswertung eingereichter Unterlagen Dritter beruht, nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung aber nur eine Aufbewahrung des abgeschlossenen Amtsvorgangs, nicht aber eine Zurückbehaltung der Unterlagen Dritter notwendig ist«.

Nach zweijährigem Prozessieren durch die Instanzen hat der BBU Anfang Oktober vor dem OVG nicht nur sein Aktenseinsichtsrecht erstritten; mit der Urteilsbegründung ist das Land Berlin nun auch verpflichtet worden, die Akten wiederzubeschaffen. Harald Wolfs Verwaltung ist allerdings fein raus: Anfang 2007 wurde die Tarifgenehmigungsbehörde des Landes der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz von Wolfs Genossin Katrin Lompscher zugeteilt. Dort ist man sich der Tragweite des OVG-Urteils offenbar noch gar nicht bewußt: »Wir haben damit nichts zu tun«, erklärte eine Sprecherin am Freitag auf jW-Nachfrage.

06 Dezember 2007

Teilsieg im Volksbegehren

Unterschriftenliste fast komplett: »Schluß mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück«. Noch bis 31. Januar wird gesammelt

Von Jörn Boewe, jW 6. Dez. 2007

Die erste Hürde im Volksbegehren für die Offenlegung der Verträge über die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) ist praktisch genommen. Bislang seien 19128 Unterschriftsbögen im Organsiationsbüro eingegangen, heißt es in einer Erklärung des »Berliner Wassertischs« vom Mittwoch. »Immer mehr Menschen beteiligen sich und sammeln für unseren Gesetzentwurf entweder im unmittelbaren persönlichen Umfeld oder aktiv in der Öffentlichkeit«, erklärte Thomas Rudek, einer der Initiatoren des Volksbegehrens. »Viele wußten nichts von den Geheimverträgen zwischen dem Berliner Senat und den Konzernen RWE und Veolia und sind nun entsetzt, wie wir von Politik und Wirtschaft informativ entmündigt werden«, so Rudek weiter.

1999 hatte der damalige CDU-SPD-Senat 49,9 Prozent der BWB an die beiden Konzerne RWE und Vivendi (heute Veolia) verkauft. Die Stadt erhielt knapp 1,69 Milliarden Euro. Die beiden Konzerne bekamen vom Senat im Gegenzug eine Renditegarantie für 28 Jahre. Die beschert ihnen Einnahmen, die, auf das heutige Datum »abgezinst« – wie das die Buchhalter nennen – einer Summe von 3,25 Milliarden Euro entsprechen. Der Vertrag wird bislang geheimgehalten.

Allerdings hat das Volksbegehren die Dinge schon ein bißchen durcheinandergewirbelt. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke), dessen Haus bislang als Trutzburg der Geheimniskrämerei galt, sprach sich am 11. Oktober im Abgeordnetenhaus für eine Offenlegung der Verträge aus – sofern die privaten Teilhaber nichts dagegen hätten. Fünf Tage zuvor hatte Veolia-Sprecher Helmut Lölhöffel öffentlich erklärt, daß sich sein Unternehmen einer Offenlegung nicht entgegenstellen würde. »Der Senat weiß, daß wir für eine weitgehende Veröffentlichung sind«, bekräftigte Lölhöffel Ende Oktober gegenüber jW. Im übrigen sei das schon seit längerem die Position von Veolia.

Nicht so eindeutig liegen die Dinge bei RWE. Dort prüft man seit einigen Wochen, konnte sich aber bislang nicht zu einer abschließenden Position durchringen. »Da hängt einiges dran, und wir wollen nichts gegen den Senat unternehmen«, so Eric Beckedahl, Leiter des »Projekts Berlin« bei REW Aqua gestern gegenüber jW. Von den Äußerungen Wolfs sei man »überrascht« gewesen, denn bislang habe »sich der Senat immer anders positioniert«. Jetzt suche man zunächst Antwort auf die Frage: »Wie sieht der Senat das wirklich?«

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hat sich zu den Ankündigungen Wolfs bislang nicht geäußert. Ende Oktober hieß es auf Nachfrage, man prüfe, gestern prüfte man noch immer. Das Problem ist, daß man bei der Finanzverwaltung (SenFin) in dieser Angelegenheit nie sicher sein kann, wer prüft – die Verwaltung selbst oder die Anwälte von Freshfields Bruckhaus Deringer. Bescheide, mit denen SenFin in den letzten Jahren Anträge auf Akteneinsicht in die Geheimverträge ablehnte, waren in weiten Teilen wortgleich mit einem Gutachten, das die internationale Wirtschaftskanzlei für die privaten Anteilseigner erstellt hatte.

05 Dezember 2007

Transparenz im Trüben

Berliner Wasserbetriebe stellen Handbuch zur Tarifkalkulation vor. Wieviel von ihrem Rechnungsbetrag an private Investoren fließt, erfahren die Verbraucher daraus nicht

Von Jörn Boewe, junge Welt, 5.12.07

Das Berliner Leitungswasser ist ziemlich kalkhaltig, ansonsten aber von sehr guter Qualität. Ob diese allerdings den aktuellen Preis von 4,71 Euro je Kubikmeter inklusive Schmutzwasserentgelt rechtfertigt, ist schwer zu durchschauen. Bislang war das – zumindest für Otto Normalverbraucher – eine eher trübe Angelegenheit, doch von nun an soll alles kristallklar werden. Am Dienstag haben die Berliner Wasserbetriebe (BWB) ein Handbuch zur Tarifkalkulation vorgestellt, das »einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion über Trink- und Abwassertarife und zugleich zur Transparenz« leisten soll, erklärte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke), zugleich BWB-Aufsichtsrats-chef. Die 20seitige Broschüre erläutert – ohne allzuviel konkrete Zahlen zu nennen – in allgemeinverständlicher Form Rechtsgrundlagen und Struktur der Berechnung. Anfang 2008 wollen die BWB zudem ihre gesamte Tarifkalkulation offenlegen.
Diese »Transparenzoffensive« kommt nicht von ungefähr. Anfang Oktober erstritt der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) vor dem Oberverwaltungsgericht das Recht auf Akteneinsicht in die Kalkulationsunterlagen für 2004.
Wenn’s rück- und seitwärts nicht mehr geht, muß man eben vorwärtspreschen: »Wir haben nie verweigert, unsere Unterlagen herauszugeben«, sagte BWB-Vorstandschef Jörg Simon gestern. Jedenfalls, fügte er hinzu, »im Rahmen von Gerichtsprozessen«. Daß das dann auch schon mal zwei Jahre dauern und durch die Instanzen gehen muß, ist nicht Schuld der Wasserbetriebe.
Zur Zeit entwickeln die Hauptstädter ein gewisses Interesse an der Frage, warum sie mittlerweile bundesweit fast die höchsten Wasserpreise zahlen müssen. Schließlich leidet das Berliner Urstromtal chronisch eher unter einem zu hohen Grundwasserstand denn unter Trockenheit. Nach oben gingen die Preise, nachdem das Land 1999 genau 49,9 Prozent der BWB an die Konzerne RWE und Veolia (damals Vivendi) verkaufte und diesen in einem Geheimvertrag eine Mindestrendite von jeweils zwei Prozent über dem Zinssatz langjähriger Bundesschatzbriefe garantierte. Seit 2003 sind die Tarife um 26 Prozent gestiegen. Zum 1. Januar ist die nächste Anhebung um 1,9 Prozent genehmigt. Vor diesem Hintergrund sieht es so aus, als ob das im Sommer gestartete Volksbegehren zur Offenlegung der Geheimverträge immerhin die erste Hürde von 20000 Unterschriften schaffen könnte – auch ohne die Unterstützung der Linkspartei.
Die interessante Frage, wie groß der Teil ihrer Wasserrechnung ist, den die Berliner als Rendite an die privaten Anteilseigner zahlen, wird mit dem Kalkulationshandbuch freilich nicht beantwortet. Allerdings, und darin besteht ihr aufklärerischer Wert, macht die Broschüre transparenter, in welchen buchhalterischen Posten er sich versteckt: Es ist die 2003 auf Initiative von Linkspartei-Senator Wolf eingeführte »Abschreibung auf Wiederbeschaffungszeitwerte« sowie der vom Land verordnete »Zinssatz auf das betriebsnotwendige Kapital«. Beide sind im bundesweiten Vergleich »außergewöhnlich«, räumte Simon gestern ein. So brachte die veränderte Abschreibungsmethode den BWB 2004 auf einen Schlag um 55,2 Millionen Euro höhere kalkulatorische Kosten, die auf die Tarife umgelegt wurden. Der Verordnungszinssatz – Grundlage für den Gewinn – beträgt derzeit 7,77 Prozent. Auch hier liegt die Hauptstadt weit über dem Durchschnitt: Bundesweit üblich seien »zwischen drei und sieben, acht Prozent«, sagte Simon auf jW-Nachfrage.

23 November 2007

Genosse der Bosse

Berlins Wirtschaftssenator will endlich Großkundenrabatte beim Trinkwasser durchsetzen

Von Jörn Boewe, jW 23. Nov. 2007

Der SPD-Linkspartei-Senat will noch im Dezember das 2006 beschlossene Berliner-Betriebe-Gesetz zu ändern. Einer der Kernpunkte ist die Einführung einer Anschlußpflicht bei der Versorgung mit Trinkwasser durch die Berliner Wasserbetriebe (BWB). Ab 1. Januar dürfen Grundstückseigentümer keine eigenen Brunnen mehr bohren, um sich den hohen Wassertarifen der Hauptstadt zu entziehen. Seit der Teilprivatisierung der ehemals kommunalen BWB 1999 sind die Preise um mehr als ein Viertel gestiegen. Für schon bestehende Trinkwasserbrunnen soll es Übergangsregelungen geben. Die Anschlußpflicht werde »aus Gründen des öffentlichen Wohls« eingeführt, heißt es im Gesetzentwurf aus der Wirtschaftsverwaltung von Linkspartei-Senator Harald Wolf. Neben dem öffentlichen kommt aber auch das private Wohl der Anteilseigner RWE und Veolia nicht zu kurz, die 49 Prozent an den BWB halten, für die ihnen das Land Berlin eine Rendite von »r + 2 Prozent« garantiert. Das kleine »r« steht dabei für den Zinssatz langfristiger Bundesschatzbriefe. Der Gewinn wird fällig, egal wie die Geschäfte laufen: Notfalls muß er aus dem Landeshaushalt gezahlt werden.

Zwar ist der Anteil der privaten Brunnen an der Trinkwasserentnahme im dichtbesiedelten Berlin eher gering: Während die BWB im vergangenen Jahr ein Grundwasser-entgelt von 51 Millionen Euro an das Land abführten, zahlten private Brunnenbetreiber ganze drei Millionen. Da die Wasserpreise allerdings weiter steigen werden (am 1. Januar kommt die nächste Anhebung um zwei Prozent), hätte die Aussicht auf einen eigenen Brunnen zu einer immer attraktiveren Alternative werden können – für Unternehmen, aber auch für Eigenheimbesitzer. Mit der Änderung allerdings wird »Rot-Rot« nun das halb staatlich halb private Monopol der BWB für die Zukunft absichern.

Zwei weitere interessante Unterpunkte finden sich in dem »linken« Gesetzentwurf. So heißt es in Paragraph 4 (4): »Der Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ... im Einzelfall eine Befreiung vom Anschluß- und Benutzerzwang ... vorzusehen«. Eine Regelung, die in Abgeordnetenkreisen schon mal »Lex Coca-Cola« genannt wird. Auch wenn bislang nicht bekannt ist, ob der US-amerikanische Softdrinkhersteller gedenkt, die Option in Anspruch zu nehmen. Ein weiteres Geschenk an die Lobbyisten der Großindustrie findet sich weiter unten, in Paragraph 14 (6). »Die Tarife können progressiv oder degressiv gestaltet werden«, heißt es dort. De facto soll damit die alte Forderung der Industrie- und Handelskammer nach Mengenrabatten für Großkunden erfüllt werden. Die IHK hat in Senator Wolf seit langem einen Vorkämpfer: Bereits 2003 wollte er die Preisabschläge einführen, scheiterte damals jedoch und seitdem wiederholt am Widerstand der SPD. 2003 war das erste Jahr, in dem das Land Berlin auf einen Teil seiner Gewinne aus den BWB verzichten mußte, um die Ansprüche von RWE und Veolia zu befriedigen. Vor diesem Hintergrund war die Mehrheit der Sozialdemokraten nicht bereit, nun auch noch die Industrie zu entlasten. Die PDS stand mit ihrem Senator geschlossen an der Seite der Unternehmer und IHK-Bosse.

27 Oktober 2007

Durchsichtige Sache

Quelle: junge Welt, 23.10.2007

Das Geschäft mit dem Berliner Wasser soll transparenter werden. Linkspartei stellt sich an die Spitze des Kampfes um Veröffentlichung der Privatisierungsverträge

Von Jörn Boewe

Erstaunliche Pirouetten und dialektische Volten bei der Berliner Linkspartei: Vor gerade mal sechs Wochen hatte der Landesvorstand beschlossen, seinen Tempelhof-Schöneberger Genossen das Unterschriftensammeln für die Offenlegung der Geheimverträge zum Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe zu verbieten – wenigstens in den Räumlichkeiten der Partei. Jetzt stellen sich Landeschef Klaus Lederer und Linke-Wirtschaftssenator Harald Wolf an die Spitze des Kampfes um Transparenz. Die Hauptstädter hätten ein »berechtigtes Interesse, den Inhalt dieser Verträge kennenzulernen«, erklärte Wolf – nahezu unbeachtet von der Presse – am 11. Oktober in einer Fragestunde des Abgeordnetenhauses. Die Vorlage hatte ihm sein Parteichef Lederer geliefert, der tags darauf den Ball mit einer Presseerklärung wieder aufnahm: »Die Linke Berlin unterstützt den Senat und den Wirtschaftssenator in seinem Bemühen, mit den Investoren Veolia und RWE über eine Offenlegung der Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe zu verhandeln«, so Lederer. »Ich fordere die Investoren auf, den Weg für die Offenlegung der Verträge so schnell als möglich freizumachen.«

Noch jemand machte in diesen Tagen eine Wende: Knapp eine Woche zuvor – am 6. Oktober – hatte sich bereits einer der beiden »Investoren«, die Firma Veolia, in Person von Pressesprecher Helmut Lölhöffel in der Angelegenheit geäußert. Der Konzern würde die Offenlegung der Verträge »begrüßen«, sagte er auf einer Fachtagung in Berlin.

Möglicherweise kam der Sinneswandel unter dem Einfluß eines Urteils des Berliner Verwaltungsgerichts zustande. Nach einem zwei Jahre währenden Verfahren hatten die Richter am 2.Oktober dem Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen das Recht auf Einsicht in die Tarifkalkulation der Wasserbetriebe zugesprochen.

Bislang hatten die beiden zuständigen Senatsverwaltungen – das vom Sozialdemokraten Thilo Sarrazin geführte Finanzressort und die dem Linken Harald Wolf unterstehende Wirtschaftsverwaltung – Privatisierungsverträge und Preiskalkulation des halböffentlichen Unternehmens strengstens unter Verschluß gehalten. Anträge auf Akteneinsicht nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz wurden von den Rechtsabteilungen tapfer abgewehrt. Es bestehe »kein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit«, schrieb beispielsweise die Finanzverwaltung vor zwei Jahren in einem einschlägigen Widerspruchsbescheid, unter anderem weil das Grundgesetz nur das Privateigentum schütze, »aber nicht das Staatsvermögen«.

1999 hatte der damalige CDU-SPD-Senat 49,9 Prozent der Anteile der Wasserbetriebe zu gleichen Teilen an RWE und Vivendi (heute: Veolia) veräußert. Damit diese kein unternehmerisches Risiko eingehen mußten, garantierte man ihnen im Kaufvertrag eine Mindestrendite. Diese sollte – egal wie die Geschäfte laufen würden – immer zwei Prozent über dem Zinssatz langfristiger Bundesanleihen liegen. Momentan beträgt sie etwa acht Prozent. Mittlerweile hat Berlin das mit Abstand teuerste Wasser aller deutschen Großstädte. Seit 2003 ist der Kubikmeterpreis um ein gutes Viertel angestiegen. Zum 1. Januar ist eine weitere Anhebung um zwei Prozent geplant.

26 September 2007

Auswärtsspiel in Spandau

Westberliner Bezirksverbände der Linken fühlen sich vom Landesvorstand gegängelt. Doch dem mißlingt das immer öfter

Von Jörn Boewe, jW 26. Sept. 2007


Ganz zum Schluß muß der Vizeparteichef dann doch noch was sagen. »Genossen, die Tarifverhandlungen laufen doch schon seit einem halben Jahr ...«, versucht Wolfgang Albers, stellvertretender Landesvorsitzender der Partei Die Linke in Berlin, dem renitenten Spandauer Bezirksverband einen Beschluß zur Unterstützung der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes auszureden. Albers hat recht. Der »rot-rote« Senat verhandelt schon seit Weihnachten 2006. »Aber es gibt bis heute kein Angebot«, erwidert eine Genossin.

»Doch«, sagt Albers. »Der Innensenator hat den Gewerkschaften im August sogar angeboten, in den Flächentarifvertrag zurückzukehren.«

»Mit Lohn- und Gehaltssteigerungen?« fragt ein anderer.

Der Parteivize: »Ohne die Entgeltbestandteile ...« Ende der Argumentation.

Das hier ist kein Heimspiel. Spandau, fünfter Verwaltungsbezirk der Hauptstadt, liegt am Westufer der Havel und gehört nach Meinung der Spandauer gar nicht wirklich zu Berlin – nach Meinung der Berliner übrigens auch nicht. Aber das hier hat nichts mit Geografie und Lokalpatriotismus zu tun. An die achtzig Leute zählt der hiesige Bezirksverband der Linken, und rund die Hälfte sind am Montag abend im »Roten Laden Salvador Allende« in der Spandauer Altstadt zusammengekommen, um ihren neuen Bezirksvorstand zu wählen; und Albers, begleitet von Landesschatzmeisterin Sylvia Müller, soll nachsehen, ob alles mit rechten Dingen zugeht.

Denn es gibt Anlaß zur Sorge. Anfang Juli beschloß der Bezirksverband mit großer Mehrheit, drei Berliner Volksbegehren für die Demokratisierung der Hochschulen, für die Offenlegung der Geheimverträge zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe und für ein gemeinwohlorientiertes Sparkassengesetz zu unterstützen. Für die Demokratisierung der Hochschulen sind die Genossen im Landesvorstand auch, aber die anderen zwei Kampagnen empfinden sie offenbar als Angriff auf die eigene Regierungspolitik. Erst in der vergangenen Woche hatte der Landesgeschäftsführer Carsten Schatz versucht, entsprechende Beschlüsse seines Bezirksverbands Tempelhof-Schöneberg mit einer offenkundig vorgeschobenen, formalen Begründung von der Landesschiedskommission annullieren zu lassen. Albers hat, was kein Kunststück ist, mehr taktisches Feingefühl als Schatz – aber Mißtrauen schlägt ihm in Spandau ebenfalls entgegen: »Auch wir sollen auf Linie gebracht werden«, argwöhnen die Genossen.

Schlechte Stimmung zwischen Bezirksverband und Landesvorstand gab es schon im Frühjahr. Damals hatten die Spandauer Genossen, gemeinsam mit anderen antirassistischen Initiativen, auf die »inhumanen Zustände« im Abschiebelager in der Motardstraße hingewiesen. »Warum sind die Toiletten und Duschkabinen nicht abschließbar?« fragte der Vertreter der Linken, Karlheinz Zesch, in der Bezirksverordnetenversammlung. »Wer ist für diese menschenunwürdigen Zustände verantwortlich?« Sozialstadtrat Martin Matz (SPD) verwies auf die Senatorin Heidi Knake-Werner (Die Linke). Es rauschte ein paar Tage im Blätterwald, dann reiste die Senatorin zur Besichtigung an, fand alles nicht so schlimm und vergaß nicht zu betonen, daß sie nicht eine einzige Küchenschabe gesehen habe – wofür ihr eine antirassistische Gruppe die Auszeichnung »Goldene Kakerlake« verlieh.

Die Spandauer Genossen sind bis heute sauer: »Wenn die Senatorin mit Voranmeldung und großem Presserummel hierher kommt, läßt man sie natürlich nur ›Vorzeigezimmer‹ sehen«, erregt sich Vorstandsmitglied Piotr Luczak. So stellt man sich hier die Zusammenarbeit mit »unseren Senatoren« nicht vor. »Konsequente linke Politik«, sagt Luczak, »ist nur durchsetzbar, wenn sich die Akteure nicht als verlängerter Arm von Regierungen und Koalitionen verstehen, sondern unbeugsam die Interessen der Unterdrückten, seien es Deutsche oder Nichtdeutsche, vertreten.«

Wie die Zentrale sich die Zusammenarbeit vorstellt, wird an diesem Abend nicht mehr verraten. Man werde den neuen Bezirksvorstand »mal einladen«, sagt Albers zum Abschied, »und dann können wir uns darüber unterhalten, was wir von euch erwarten und was ihr von uns erwartet.«

die-linke-spandau.de

20 September 2007

Unterstützen heißt behindern

Die Linke in Berlin: Bezirksverband darf keine Unterschriften für Volksbegehren gegen Privatisierungspolitik sammeln. Schiedsgericht soll Beschlüsse kassieren

Von Jörn Boewe, jW 20. Sept. 2007


»Der demokratische Zentralismus ist vorbei«, hatte Berlins Linksparteichef Klaus Lederer vor ein paar Wochen erklärt. Er vergaß hinzuzufügen: Aber nur der demokratische. Wie es der Berliner Landesvorstand mit dem – nennen wir ihn mal: »bürokratischen« – Zentralismus hält, kann man im kürzlich veröffentlichten Protokoll der Vorstandssitzung vom 11. September an einem handlichen Fallbeispiel studieren.

Mit einem »einstimmig, ohne Enthaltungen« gefaßten Beschluß verbietet Lederers »kleines Zentralkomitee« dem Bezirksverband Tempelhof-Schöneberg, in den Räumen seiner »Bezirksgeschäftsstelle« Unterschriften für zwei Volksbegehren zu sammeln. Eines fordert die Offenlegung der Geheimverträge zum Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe durch die CDU-SPD-Koalition 1999, das andere will eine gemeinwohlorientierte Novellierung des Berliner Sparkassengesetzes erzwingen.

»Im Landesverband Berlin gibt es keine Bezirksgeschäftsstellen«, stellt der Vorstand in seiner Begründung fest. »Es gibt die Landesgeschäftsstelle, die politisch-kulturelle Zentren in Berliner Bezirken betreibt. Dort arbeiten Mitarbeiter/innen der Landesgeschäftsstelle, die die Arbeit der Bezirksverbände unterstützen.«

»Unterstützen« – das ist witzig: Der Bezirksverband hatte am 22. August mit großer Mehrheit beschlossen, »die Sammlung von Unterschriften an öffentlichen Plätzen zu organisieren, gegebenenfalls auch im Rahmen von Bündnissen mit anderen Organisationen«, und seine Mitglieder aufgerufen, »sich zahlreich an der Sammlung von Unterschriften für diese Volksbegehren zu beteiligen«.

»Der Landesvorstand«, liest man in dessen jüngstem Protokoll nun weiter, »und die von ihm errichtete Landesgeschäftsstelle sind an die Beschlüsse des Landesparteitages gebunden.« Der wiederum habe im Juli »Anträge zur Unterstützung der Volksbegehren zur Sparkasse und zur Offenlegung der Privatisierungsverträge abgelehnt« – mit knappen Mehrheiten, aber das steht da nicht – und: »An diesen Beschluß des Landesparteitages ist der Landesvorstand gebunden und wird daher dem Ansinnen der Mitgliederversammlung nicht folgen, da es einer Aufforderung zum Satzungsbruch gleichkommt.«

Eine fabelhafte Argumentation! Kleinkariert, unpolitisch und sachlich falsch: Es gibt keinen Parteitagsbeschluß, der den Vorstand verpflichten würde, Bezirksgliederungen das Unterschriftensammeln in den »politisch-kulturellen Zentren« zu verbieten. Egal – eine ehrliche Begründung wäre schließlich noch peinlicher: Die beiden Volksbegehren passen einfach nicht so recht in die »investorenfreundliche« Linie des »rot-roten« Senats.

Denn um nichts anderes geht es. Die Bestätigung hat Landesgeschäftsführer und Vorstandsmitglied Carsten Schatz gleich selbst geliefert. Schatz, der im renitenten Tempelhofer Bezirksverband seine Beiträge zahlt, beantragte beim Landesschiedsgericht die komplette Annullierung der Beschlüsse vom 22. August. Erneut wird die Parteisatzung zur Begründung bemüht: Angeblich hätten die Beschlußanträge den Mitgliedern vier oder sechs Wochen vor der Versammlung zugestellt werden müssen. Schaut man allerdings in die Satzung, findet man eine solche Regelung nur für Parteitage – nicht aber für Mitgliederversammlungen der Bezirke. Am Freitag wird sich das Schiedsgericht mit der Angelegenheit befassen.

28 November 2006

Berliner Wasserbetriebe mit Gewinnsprung

Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) können nach Zeitungsangaben einen kräftigen Gewinnzuwachs verzeichnen.

Wie die "Berliner Zeitung" (Dienstag) berichtet, stiegen die Erlöse des Unternehmens in den ersten neun Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 29,7 Millionen Euro auf 869,8 Millionen Euro. Damit sei auch der Gewinn vor Steuern kräftig um 21 Prozent auf 221,6 Millionen Euro geklettert.

Wesentlicher Grund für den Umsatz- und Gewinnsprung sei aus Sicht des Unternehmens die "außergewöhnlich trockene und warme Wetterlage" bis einschließlich Juli. Infolgedessen seien 3,1 Millionen Kubikmeter mehr Trinkwasser an die Verbraucher abgegeben worden als in den ersten drei Quartalen 2005.

Zur Gewinnentwicklung beigetragen habe allerdings auch eine Senkung der Personalkosten um 3,1 Prozent. Zudem seien die BWB-Investitionen um 13,4 Millionen Euro oder 6,9 Prozent auf 182,2 Millionen Euro zurückgefahren worden.

Wie es in einer Unterrichtung für den BWB-Aufsichtsrat heiße, könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, "dass der sehr positive Trend bei der Trinkwasserabgabe dauerhaft ist". Dennoch plädiere der Anteileigner RWE, dafür, die Gewinnausschüttung zu erhöhen und die auf die privaten Gesellschafter für dieses Jahr entfallende garantierte Mindestrendite von 133,6 Millionen Euro (RWE-Anteil: 66,8 Millionen Euro) entsprechend aufzustocken.

Der BWB-Aufsichtsratsvorsitzende, Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei), wolle dagegen möglichst viel von den Zusatz-Gewinnen im Unternehmen belassen, um die auch für nächsten Jahre erwarteten Erhöhungen der Wasserpreise in halbwegs moderaten Grenzen halten zu können. Quelle: rbb

28.11.2006 09:04

22 März 2006

Am 13. Januar schrieb Prof. Dr. Rolf Kreibich vom Berliner Institut für Zukunftsforschung einen Brief an Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) ...

Gleichlautend an:
den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit u.
den Finanzsenator Dr. Thilo Sarrazin

An den Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen
Herrn Harald Wolf
Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen
Martin-Luther-Str. 105

10825 Berlin

Berlin, den 13.01.2006 RK/ra

Sehr geehrter Herr Wolf,

das neue Jahr soll innovativ und streitbar für bessere Entwicklungen beginnen. Deshalb möchte ich Sie gleich eingangs ermuntern, eine wichtige Entscheidung zur Stärkung der Wirtschaftskraft unserer Berliner Unternehmen und der Kaufkraft der Berliner Bürger zu treffen.

Als langjähriges Mitglied des Energiebeirats des Landes Berlin verfolge ich mit größtem Unbehagen die ständigen Preiserhöhungen der großen Energieversorger auch in Berlin. Mittlerweile sind wir so weit, daß zahlreiche Klein- und Mittelbetriebe wegen der hohen Energiepreise Insolvenz anmelden und die Privatkunden einen unverhältnismäßig hohen Anteil ihrer laufenden Lebenshaltungskosten für Energie ausgeben müssen. Wie Sie den beigefügten Unterlagen entnehmen können, führe ich seit nunmehr über einem Jahr eine Auseinandersetzung mit dem Vorstand der Gasag über die Gaspreiserhöhungen und bemühe mich, die Firma Vattenfall von weiteren Preiserhöhungen abzuhalten. Des weiteren habe ich schon am 25. April 2005 die Landeskartellbehörde aufgefordert, endlich tätig zu werden, um die ungerechtfertigten Preiserhöhungen im Interesse einer gedeihlichen Wirtschaftsentwicklung und zur Entlastung der Bürger abzuwehren. Leider war das alles vergebens. Nun hoffe ich nur, daß die gemeinsame Klage der Verbraucherzentrale Erfolg haben wird.

Die Frage ist jedoch, ob es erst zu einem langwierigen Klageweg kommen muß. Um die Prozeßhanselei zu verhindern, fordere ich Sie auf:

+ dem Beispiel des Hessischen Wirtschaftsministers Dr. Alois Rhiel und der Hesseischen Landesregierung zu folgen und die Anhebung der Energiepreise im Land Berlin zu verbieten;

+ das Landeskartellamt anzuweisen, unverzüglich eine Prüfung durchzuführen, um die Recht- bzw. Unrechtmäßigkeit der Preiserhöhungen festzustellen und zu unterbinden.

Den beigefügten Jahreskalender 2006 möchte ich Ihnen für Ihr Dienstzimmer übersenden.

Mit den besten Grüßen

Prof. Dr. Rolf Kreibich

_____________________________


Wolf antwortete am 4. März:



> Brief lesen ...

____________________________


Daraufhin schrieb Kreibich am 14. März erneut an den Senator:


Herrn Senator Harald Wolf
Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit u. Frauen
Martin-Luther-Str. 105

10825 Berlin

Berlin, den 14. März 2006


Energiepreise
Ihr Schreiben vom 4.03.06; hier eingegangen am 10.03.06
Sondersitzung des Energiebeirates des Landes Berlin am 16.3.2006



Sehr geehrter Herr Senator,

ich bedanke mich für Ihr Schreiben vom 4.04.06.
Leider kann ich nicht verhehlen, daß mich der Inhalt des Schreibens keineswegs befriedigt. Im Gegenteil, hier werden in langen Ausführungen alte bekannte Positionen des Landeskartellamtes dargelegt, die in keiner Hinsicht dem Stand der Dinge gerecht werden.

Um Ihnen meine Ausgangsposition noch einmal zu verdeutlichen, übersende ich Ihnen mein Schreiben an den Vorstandsvorsitzenden der GASAG, Georges Hoffmann, vom 25.04.2005 (Anlage 1). Ich habe hier dargelegt, daß ich mich als nunmehr über 22jähriges Mitglied des Energiebeirates des Landes Berlin, mittlerweile wohl das am längsten amtierende, in all den Jahren für eine sichere, effiziente, kostengünstige, ökologisch und sozial verträgliche Energiepolitik im Land Berlin eingesetzt habe, insbesondere auch im Hinblick auf die Gasversorgung als langfristige Übergangsstrategie.

Vor diesem Hintergrund finde ich die Ausführungen des Landeskartellamts nicht nur dürftig, sondern sogar ärgerlich.
Im einzelnen nehme ich dazu wie folgt Stellung:

1.Stromtarife – Vattenfall
Monatelang hat Vattenfall die ganze Stadt mit Plakaten und Anzeigen überschüttet und die Medien mit Größtanzeigen vollgekleistert, um den Markennamen Bewag zu tilgen und Vattenfall durchzusetzen. Um das Bild des „freundlichen Energieversorgers“ zu suggerieren und nicht zu trüben, hat Vattenfall bis zur Jahreswende 2005/2006 immer wieder erklärt, man werde im Jahr 2006 keine Strompreiserhöhungen vornehmen. Schon im Januar 2006 kam dann die Katze aus dem Sack, Vattenfall werde doch die Berliner Strompreise ab 1. Mai 2006 um weitere 6 bis 7 % erhöhen. Wie der Presse zu entnehmen war, lag die Erhöhungsabsicht sogar schon lange fest. Das entsprechende Strategiepapier war vorher allerdings noch im Safe, aber der Landeskartellbehörde längst bekannt.

Sie wissen sicher selbst sehr gut, daß kaum ein Stromverbraucher so kundig ist, daß er die Machenschaften der großen Monopolisten durchschaut und ohne weiteres zu einem anderen Anbieter wechselt. Man traut bei einer elementaren lebenswichtigen Versorgung seinem Energieversorger, seiner Bewag (Vattenfall) einfach nicht zu, daß man so schamlos hinters Licht geführt werden könne, schließlich wird ja auch die ganze Freundlichkeitskampagne mit vielen Millionen Euro aus dem Stromkunden-Geld vom Senat von Berlin überwacht. Woher haben denn die großen Energieversorger die 145 Milliarden Euro flüssiges Kapital? Wieso kann E.ON für die Übernahme des größten spanischen Energiekonzerns Endesa locker 29,4 Milliarden € hinblättern und der E.ON-Vorstandsvorsitzende, Wulf H. Bernotat vor wenigen Tagen zudem verkünden, daß E.ON dazu noch einiges draufsatteln könne.

2.Gasmarkt – Gaspreise
Zunächst einmal ist der Gasmarkt ein absoluter Monopol- bzw. Oligopolmarkt, dem der Gaskunde überhaupt nicht entkommen kann. Ich habe das selbst bitter feststellen müssen, nachdem ich vor Jahren meine Ölheizungs- und Warmwasserbereitungsanlage auf eine Gasbrennwert-Wasserspeicher-Solarthermie-Kombinationsanlage umgestellt habe. Damit habe ich zwar 40% Energie, CO2 und weitere Schadstoffemissionen eingespart und damit nicht nur für mich, sondern auch für die Allgemeinheit einen kleinen Klimabeitrag geleistet.

Jetzt hänge ich aber mit meiner teuren Anlage fest am Gasnetz und kann nur noch zwischen Pest und Cholera wählen: Entweder ich reiße die phantastische neue teure Anlage wieder heraus und gehe auf Pelletheizung über oder ich wähle den Gaspreisboykott. Wie Sie wissen, habe ich mich für letzteres entschieden. Das möchte ich erläutern:

Es gibt – entgegen allgemein verbreiteter Meinung – keinerlei gesetzliche Grundlage, wonach der Gaspreis an den Ölpreis gekoppelt werden muß. Die Kopplung ist eine reine Erfindung der monopolistischen Gasindustrie.
Die „Prüfung“ der Ölpreisbindung durch das Bundeskartellamt erfolgt seit nunmehr mehr als fünf Jahren. Herausgekommen ist bisher für die privaten und gewerblichen Gaskunden nichts, außer ständige Gaspreiserhöhungen. Auch der neueste Vorstoß des Bundeskartellamts, der seit ca. anderthalb Jahren läuft, scheint sich – entgegen Ihrer Darstellung – wiederum im Nichts aufzulösen. Dafür sprechen die bisherigen Ergebnisse ein eindeutige Sprache (siehe auch weiter unten).
Es geht nicht allein um die Verkürzung der Laufzeiten von Verträgen, schon gar nicht bei den vier bis fünf dominierenden Monopolisten, die ihre Verträge mit den Produzenten in Rußland, Norwegen etc. direkt abschließen oder schon vor Jahren abgeschlossen haben. Besonders die marktbeherrschenden Unternehmen wie E.ON Ruhrgas und die GASAG (jetzt: Gaz de France 31,575%, Vattenfall Europe AG 31,575%, Thüge AG 36,85%) haben vor Jahren sehr langfristige Verträge abgeschlossen, wonach über 30 bis 40 Jahre äußerst niedrige Einkaufspreise für Gas garantiert sind; die GASAG soll vor Jahren Erdgas von Rußland für 1,3 Pfennige pro Kwh eingekauft haben und verkauft jetzt die Kilowattstunde an uns Gaskunden für 6,8 Cent, also etwa das Zehnfache. Solange diese Verträge nicht offengelegt werden und die Landeskartellbehörde nicht bereit ist, die GASAG dazu zu zwingen diese Verträge offenzulegen, müssen alle Privat- und Gewerbekunden jede Preiserhöhung verweigern.
Es grenzt schon an Kundenverdummung, wenn die Landeskartellbehörde Ihres Hauses die Entwicklung der Gaspreise lediglich im bundesweiten Vergleich prüft und dann feststellt, daß die Preise der GASAG irgendwo im Mittelfeld der Gasanbieter in der Bundesrepublik liegen. Wenn alle Anbieter kräftig zulangen und die Privat- und Gewerbekunden fest an der Gasleitung hängen, dann ist es nur ein geringer Trost, daß die GASAG sich nicht am stärksten von allen bereichert.
Sie schreiben:
„Die Landeskartellbehörde prüft die Preisgestaltung der GASAG auch auf der Grundlage der - im kartellrechtlichen Schrifttum allerdings umstrittenen - sogenannten Sockeltheorie. Nach der Sockeltheorie kann ein Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vorliegen, wenn die Preisanhebung gegenüber dem vorher geltenden Preis (dem „Sockelpreis“) nicht durch die seither eingetretenen Kostenerhöhungen gerechtfertigt werden kann. Die GASAG hat auf ein Schreiben der Landeskartellbehörde aus dem September letzten Jahres mit Schreiben vom 12. Oktober 2005 zugesichert, mit ihrer Preiserhöhung zum 01.10.2005 nicht mehr als die Gasbezugskostenerhöhungen an ihre Kunden weiterzugeben.

Die GASAG hat sich darüber hinaus bereit erklärt, die Angemessenheit ihrer Preisanhebung zum 01.01.2006 gutachterlich feststellen zu lassen. Die Landeskartellbehörde wird dieses Gutachten einer genauen Prüfung unterziehen. Außerdem hat die GASAG inzwischen erklärt, daß sie das Gutachten über die Angemessenheit ihrer Preiserhöhungen auch im Rahmen der von der Verbraucherzentrale eingereichten Sammelklage dem Landgericht zur Verfügung stellen will.“

Es ist doch wohl ein Witz, daß Ihre Landeskartellbehörde nicht selbständig prüft, sondern sich auf „Zusicherungs-Schreiben“ der GASAG beruft. Noch lächerlicher ist der Hinweis, daß man sich auf gutachterliche Feststellungen gerade jenes Unternehmens beruft, das von Ihrer Behörde kontrolliert werden soll. Bei der Bankgesellschaft Berlin wurden in den Jahren 1998 bis 2001 ca. 18 Wirtschaftsprüfungsgutachten von bekannt-berüchtigten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften im Auftrag der Bankgesellschaft durchgeführt. Diese haben ca. 340 Mio. € gekostet, waren fast alle gefällig für die Bankgesellschaft und im Jahr 2001 war die Bankgesellschaft Berlin Pleite und das Land Berlin verabschiedete wenig später ein Gesetz mit einer Risikoübernahme von 21,4 Milliarden € zu Lasten des Berliner Steuerzahlers!

3.GASAG-Privatisierung und Gaspreise
Ihnen ist bekannt, daß durch den Verkauf der GASAG für das Land Berlin ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstanden ist. Das ist nicht in Ihrer Amtszeit erfolgt, aber der damals erzielte Discountpreis für die GASAG ist wie der Verkauf des weiteren Berliner Tafelsilbers (BEWAG, Wasserbetriebe, Wohnungsbaugesellschaften etc.) im Berliner Schuldenberg wie nichts verschwunden. Heute hat das Land Berlin die gigantische Schuldensumme von „65 Milliarden Euro“ (Finanzsenator Sarrazin) und eine tägliche Zinsbelastung von 6,4 Mio. € zu schultern. Anstatt die Energieversorgungsbetriebe für die Stadt und ihre Finanzen zu nutzen, wie das zahlreiche andere Großstädte machen, wurden die hoch wertschöpfenden „Milchkühe“ verschleudert. Aber damit nicht genug. In einer Anhörung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vor wenigen Tagen am 9.03.2006, an der ich auch teilgenommen habe, führte das Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, Felicitas Kubalas, aus, daß die GASAG vor dem Verkauf und der Privatisierung jährlich 50 bis 90 Mio. € in Berlin investiert hat und seit der Privatisierung nur noch 30 Mio. € jährlich. Die Gewinne beliefen sich aber in den letzten Jahren (2003 bis 2005) zwischen 50 und 60 Mio. € und werden offensichtlich an die Vorstände und Aktionäre verteilt.

Ich bin der Meinung, daß diese Zahlen für sich sprechen und so empfinde ich es als empörend, daß wieder die Bürger – nicht das Landeskartellamt und der Senat von Berlin – durch eine Sammelklage gegen die GASAG ihr Recht auf angemessene Preise und Dienstleistungen erstreiten müssen. Man kann nur hoffen, daß die Sammelklage der Bürger und der Verbraucherzentrale Berlin endlich Licht in das Dunkel der Monopolmächtigen bringt, die zudem unsere freie Marktwirtschaft ad absurdum führen.

4.Gaspreise und die Folgen
Als langjähriger Streiter für eine neue Energie- und Klimapolitik der Energieeffizienz, des sparsamen Umgangs mit Energie und der Förderung und Nutzung regenerativer Energien könnte ich es mir leicht machen und dem Treiben bei der Energiepreiserhöhung gelassen zusehen. Die Folgen sind schon jetzt enorm:

Noch nie war das Ansehen der Energieversorger und der Energieaufsichtsbehörden in der Bevölkerung so schlecht wie heute.

Viele Privatkunden haben jetzt erst verstanden, daß es wichtig ist, jetzt endlich die Erhöhung der Energiepreise zu boykottieren – es sind immerhin schon weit über 500.000 in der Bundesrepublik - und den Stromversorger zu wechseln, um bei wirklichen Ökostrom-Anbietern wie den Firmen Lichtblick, Greenpeace-Energy u. a. ihren Strom zu beziehen. Dieser Strom ist ja heute nicht mehr teurer und, wenn die Preise so weiter klettern, bald erheblich billiger. Außerdem beteiligen sich die Ökostrombezieher auch am lebenswichtigen Klimaschutz zur Erhaltung unser aller Lebensgrundlagen.

Was mich besonders irritiert, daß Sie als Senator für Wirtschaft und Arbeit nicht sehen, daß die hohen Energiepreise auch unsere Unternehmen stark belasten und sogar gefährden. Die ersten Klein- und Mittelbetriebe wurden schon in die Pleite getrieben. Gerade in der wirtschaftsschwachen Stadt Berlin – wir stehen an vorletzter Stelle aller Bundesländer in den relevanten Wirtschaftsdaten – ist das ein Faktor, der gar nicht hoch genug bewertet werden kann.

Und noch ein trauriges Kapitel: Die bekannte Fernseh-Magazinsendung Frontal21 des ZDF hat am 21.02.2006 festgestellt, daß die Gaswirtschaft über ihren Lobby-Verband BGW-Bundesverband der Gas- und Wasserwirtschaft der Bundesnetzagentur die entscheidenden Eckpunkte für ihre künftige Arbeit diktiert hat. Die Sitzungsprotokolle der Gaswirtschaft (BGW) vom 21.02.06 und ihrer gemeinsamen Sitzung mit der Bundesnetzagentur vom 30.01.2006 liegen Frontal21 vor. Daraus geht eindeutig hervor, daß der BGW-Präsident Feist den Chefs der Behörde Matthias Kurth (Präsident der Bundesnetzagentur) und Martin Cronenberg (Vizepräsident der Bundesnetzagentur) ihre „unverhandelbaren Bedingungen- Bedingungen, die den Wettbewerb erschweren“ beziehungsweise unmöglich machen, regelrecht diktiert haben.

Im Protokoll des BGW heißt es wörtlich: „Die Gaswirtschaft wird Konsultationen mit der Bundesnetzagentur erst wieder zustimmen, wenn in bilateralen Gesprächen zwischen Gaswirtschaft und Bundesnetzagentur Einvernehmen über Eckpunkte erzielt wurde, die nicht verhandelbar sind.“

Dieses Ergebnis ist offenbar genau so erzielt worden, wie vom BGW vorgesehen. Zur Täuschung der Öffentlichkeit hat aber der Präsident der Bundesnetzagentur auf einer Pressekonferenz am 31.1.2006 dieses Diktat als „Erfolg“ verkündet; wörtlich:
„Heute ist uns gelungen, einen wichtigen Meilenstein zu erreichen, zum Ziel eines transparenten Gasnetzzugangsmodells in Deutschland.“
Ich füge Ihnen den Text der gesamten Frontal21-Sendung bei (Anlage 2).

Vor dem von mir skizzierten Hintergrund halte ich die im meinem Schreiben vom 13.01.2006 an Sie, den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und Finanzsenator Dr. Thilo Sarrazin gerichteten Forderungen voll aufrecht:

+ dem Beispiel des Hessischen Wirtschaftsministers Dr. Alois Rhiel und der Hesseischen Landesregierung zu folgen und die Anhebung der Energiepreise auch im Land Berlin zu verbieten;

+ das Landeskartellamt anzuweisen, unverzüglich eine Prüfung durchzuführen, um die Recht- bzw. Unrechtmäßigkeit der Preiserhöhungen festzustellen und zu unterbinden.

Ich erlaube mir, Kopien dieses Schreiben an den Regierenden Bürgermeister, den Finanzsenator, die Senatorin für Stadtentwicklung, die Staatssekretärin für Energie und Verkehr in der Stadtentwicklungsverwaltung und die Mitglieder des Energiebeirats des Landes Berlin zu versenden.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Rolf Kreibich

US-Bürger wollen von RWE ihre Wasserversorgung zurück haben

RWE will seine Wassersparte in den USA (American Water Works) nach nur dreijähriger Betätigung mit höchstmöglichem Profit verkaufen.
Die Bürger der betroffenen Bundesstaaten in den USA hingegen kämpfen um die Rekommunalisierung ihrer Wasserversorgung, weil die Erfahrungen mit dem Deutschen Multi-Utility-Konzern alles andere als befriedigend waren.
RWE hatte im Jahr 2000 den britischen Wasserversorger Thames Water aufgekauft, um mit diesem strategischen Zwischenschritt im internationalen Wassergeschäft Fuß zu fassen.
Im Jahr 2003 kam die Übernahme von American Water Works hinzu, dem größten US-Wasserunternehmen, welches über 15 Millionen Menschen in 29 US-Bundesstaaten und 3 Kanadischen Provincen versorgt. (z.B. in Lexington/ Kentucky, Champaign/Illinois, Chatanooga/Tennessee, Monterey/California, Urbana/Illinois, Pekin/Illinois, Gary/ Indiana, Felton/California etc.) Der Kaufpreis von 8 Milliarden Euro war selbst für RWE ein dicker Brocken. Mit diesen Zukäufen konnte jedoch RWE zum international drittgrößten „Wasser-Konzern“ aufgestiegen, hinter den französischen Konkurrenten Suez / Ondeo und Vivendi / Veolia. Die Kritiker nennen solche Multi-Utility-Konzerne auch „Water Grabber“, also Wasser-Grabscher.

RWE-Vorstand Harry Roels versicherte damals, eine lang angelegte Partnerschaft mit den US-Kommunen aufbauen zu wollen, zur Zufriedenheit der Kunden. Wie schnell doch die Zeit vergehen kann ! Nun hat der RWE-Konzern beschlossen, seine Strategie zu ändern und Teile seines „Wassergeschäfts“ abzustoßen. Dabei wird bei solchen Verkäufen mit der Wasserversorgung der Bürger genauso lässig umgegangen, wie mit jedem anderen Wirtschaftsgut auch. Wer am meisten zahlt, bekommt den Zuschlag. Die Bürger in den betroffenen Bundesstaaten wollen hingegen, aufgrund schlechter Erfahrungen mit der Wasserprivatisierung, dass das Wasser wieder in kommunaler Hand verwaltet wird.

In der nächster Zukunft wird sich die Auseinandersetzung zuspitzen bezüglich der Frage, ob sich die Kapitalinteressen von RWE,- oder aber der Wille der Bevölkerung durchsetzen wird. Die aktiven Gruppen in den USA bitten jedenfalls um Hilfe und Unterstützung bei der Durchsetzung Ihrer - legitimen - Interessen. Ein nächster Termin in diesem Streit wird die RWE-Hauptversammlung am 13.April 2006 in Essen sein !

Zu einem besseren Verständnis der Gesamtsituation soll zunächst ein Abriss über die politische Firmengeschichte von RWE zeigen, dass die Daseinsvorsorge in den Händen von Konzernen wegen gegenläufiger Interessen nicht gut aufgehoben ist.
Am 25.4.1898 wurde RWE in Essen / Ruhrgebiet gegründet, (Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerks Aktiengesellschaft) um die Stadt Essen mit Elektrizität zu versorgen.
Dem Vorausgegangen waren die Aktivitäten von Wilhelm Lahmeyer, der elektrische Maschinen und vor allem leistungsfähige Generatoren entwickelt hatte, die die Grundlage der Stromversorgung bilden sollten.
Schon kurze Zeit später, 1902, übernahmen die Mitgründer Hugo Stinnes und August Thyssen RWE und begannen eine aggressive Expansionsstrategie. Sie übernahmen die Versorgung vieler umliegender Städte und entwickelten eine Methode, die bis heute „erfolgreich“ ist: Sie beteiligten die Kommunen am Aktienkapital und setzten die Bürgermeister in ihren Aufsichtsrat, wodurch sie in kurzer Zeit große Gebietsmonopole aufbauen- und sich exklusiv Konzessionen sichern konnten. Einer der prominentesten RWE-Aufsichtsräte: Konrad Adenauer, Kölner OB, von 1949 bis 1963 Bundeskanzler, und von 1920 bis 1932 im RWE-Aufsichtsrat. Besorgt über Vorwärtsdrang von RWE gründeten andere Akteure 1906 die VEW ( Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG ) um RWE etwas entgegensetzen zu können. Dem war wenig Erfolg beschieden und im Jahr 2000, als fast 100 Jahre später, wurde VEW von RWE übernommen.
Die immer umfangreicheren Zukäufe des RWE-Imperiums finanzierten die Herren Stinnes und Thyssen u.a. mit Hilfe der Deutschen Bank, die bis heute Anteilseigner bei RWE ist.
Im ersten Weltkrieg war Hugo Stinnes einer der bedeutendsten Kriegslieferanten, und einer der führenden Ausbeuter von Rohstoffen in besetzen Gebieten. Für die Kriegsvorbereitungen des zweiten Weltkrieges, also ab 1936, benötigten die Nationalsozialisten die Mitarbeit von Konzernen wie RWE. Während des Krieges wurden dann die Energieversorgungssysteme von Belgien, Frankreich und den Niederlanden an das RWE Netz angeschlossen, um mehr Kapazitäten für die deutsche Kriegswirtschaft nutzen zu können.
Nach dem zweiten Weltkrieg mauserte sich RWE wieder schnell und erfolgreich mit dem bewährten Rezept: Aufnahme von führenden Kommunalpolitikern in die eigenen Gremien!
Später, im Jahr 1958 baute RWE einen ersten kleinen Atomreaktor in Kahl, dem aber noch kein wirtschaftlicher Erfolg beschieden war. Weitere Atomkraftwerke folgten. In den 80er und 90er Jahren fanden weitere Diversifizierungen statt. RWE engagierte sich in Bereichen wie Müllverbrennung, im Bausektor, mit Mineralöl und mit Druckmaschinen.
Durch die erkennbar weltweite Verknappung von Süßwasser entstand bei RWE die Überzeugung, dass mit der Wasserversorgung die Konzern-Profite nach oben geschraubt werden können und dass mit dem know-how der heimischen Wasserwerker auch Übernahmen in Ländern der dritten Welt möglich sein sollten. Dieser Überzeugung folgend hatte RWE im Jahr 2000 den britischen Wasser Multi Thames Water übernommen, als neue „Führungsgesellschaft“ mit Sitz in Reading bei London, um so international in diesem „Wachstumsmarkt“ gut aufgestellt zu sein. Dazu die RWE AG über sich selbst:
"...wir sind weltweit das ehrgeizigste Wasserunternehmen...“
„...Wasser soll der am schnellsten wachsende Geschäftsbereich sein...“
„… wir streben an, Großaufträge in Asien zu sichern...“
„ ...die inhärente Stärke des Wassergeschäfts ruht auf den Grundlagen nachhaltigen Wachstums..." (aus der RWE-homepage)

Mit dieser Strategie, die zunächst vom RWE-Vorstandsvorsitzenden Dietmar Kuhnt eingefädelt,- und später von seinem Nachfolger Harry Roels weitergeführt wurde, hat sich die RWE AG als weltweit drittgrößter Anbieter für Wasser- und Abwasserdienstleistungen aufgestellt. RWE-Thames Water ist seitdem in vielen Ländern im Wassersektor tätig, wie z.B. in Budapest/Ungarn, Berlin/Deutschland, Shanghai/China, Jakarta/Indonesien, Bangkok/Thailiand, sowie auch in Austrailien, Indien, Japan, Singapur, Malaysia und natürlich London, dem Ursprungsort von Thames Water.

Um den US-amerikanischen Markt zu erobern, kam wie bereits geschildert, im Jahre 2003 der Erwerb von American Water Works hinzu, dem größten amerikanischen Wasserversorger, um dessen Verkauf sich die hier beschriebene Auseinandersetzung dreht. Dreh- und Angelpunkt wird nun die Frage sein, ob ein mächtiger Großkonzern, der das klare Ziel hat, Profit zu erwirtschaften, dazu zu bewegen ist, möglicherweise mit Verlusten die Wasserbetriebe an die jeweiligen Kommunen abzugeben.

Damit von Seiten der Bürgerschaft in den USA dieser Schritt erfolgreich unterstützt werden kann, erscheint es sinnvoll, die Verwendung von Begriffen wie „Konzernleitlinien“, „Corporate Governance“, Gemeinwohlorientierung, „Nachhaltigkeit“ oder auch Bürger-Partizipation etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Dazu ist festzustellen, dass sich RWE selbst in vorbildlicher Rolle sieht.
So ist RWE z.B. Mitglied im „Global Compact“, einer Initiative von UN-Generalsekretär Kofi Annan. Ziel dieser Initiative ist es, das Unternehmen Prinzipien aus den UN-Menschenrechts- grundsätzen, sowie den Sozial und Umweltstandards in ihre Unternehmenspolitik in Freiwilligkeit übernehmen.
RWE selbst hat einen beeindruckenden Verhaltenskodex verfasst und verabschiedet, der an wohl gesetzten Worten und Beteuerungen keine Wünsche offen lässt.
Ferner hat sich RWE selbstverpflichtet, den Unternehmensleitlinien der „Cromme-Kommision“ (Corporate Governance) freiwillig Folge zu leisten. RWE über sich selbst:
„… Derzeit ist RWE das einzige DAX 30 Unternehmen, das den Deutschen Corporate Governance Kodex uneingeschränkt in allen Punkten umsetzt…“

Dieser Corporate Governance Kodex ist eine Schöpfung aus der Ära Gerhard Schröder stammend, auch „Cromme-Kommission“ genannt, nach dem Kommissionsvorsitzenden Gerhard Cromme, vormals Vorstandsvorsitzender der Thyssen-Krupp AG. Die Kommission soll über die korrekte Führung von Großunternehmen wachen. Mit Herrn Gerhard Cromme hat sich ein Kenner der Materie dieses verantwortungsvollen Postens angenommen: Herr Cromme war bis 2001 Thyssen-Krupp Cheff und darüber hinaus in Aufsichtsräten bei Allianz, Lufthansa, EON, Hochtief, Siemens, Suez und Volkswagen u.a.
als Aufsichtsrat bei VW hat er die Jahrzehnte währende Korruption beaufsichtigt
Thyssen-Krupp hatte 1991 eine Million an die CDU „gespendet“, was durchaus im Zusammenhang mit den 36 Thyssen-Panzern gesehen werden kann, die nach Saudi Arabien geliefert wurden
Thyssen-Krupp zusammen mit Siemens hatte sich mitunter die höchsten staatlichen Subventionen einverleibt, im Rahmen des Projekts „Transrapid-Konsortium“
Seit kurzem droht Thyssen Krupp ein Millionen-Bußgeld, weil der Konzern im Bereich Elevator / Aufzüge mit anderen Firmen Preisabsprachen getroffen haben soll
Kurzum, Herr Cromme ist der richtig Mann für „Corporate Governance, das sieht man auch daran, dass in Papieren der Regierungskommission nicht eine Adresse der Regierung,- sondern direkt die Adresse der Thyssen-Krupp AG angegeben ist.
Damit wird verdeutlicht, dass Thyssen Krupp qualifiziert ist, sogar hoheitliche Aufgaben zu übernehmen. Und wie der Name schon sagt, reichen die Wurzeln von Thyssen-Krupp zurück bis zu Alfred Thyssen in Essen, dem Mitbegründer von RWE.
Bei dem Gesagten könnte der Eindruck entstehen, dass fast die gesamte Politik von Energiekonzernen „subventioniert“ und dirigiert wird. Eine Wahrnehmung, deren Wahrheitsgehalt sicher zukünftig genauer untersucht werden muss.

Aber zunächst zurück zum hauseigenen Verhaltenscodex des RWE-Konzerns, und da aus dem Artikel 4/17:
.“…RWE beschäftigt keine Mitarbeiter, die hauptberuflich öffentliche Ämter ausüben oder hauptberuflich öffentliche Mandate innehaben. Mit Vertretern dieses Personenkreises werden auch keine Beraterverträge oder ähnliche entgeltliche Vereinbarungen abgeschlossen…“

- Dagegen steht: bis 2004 haben Hermann-Josef Arentz, Cheff der CDU-Sozialausschüsse und Laurenz Meyer, ehem. Generalsekretär der CDU, von RWE jährlich € 60.000,00 erhalten, ohne erkennbare Gegenleistung (gemeint ist hier natürlich normale Arbeit..)
Herr Mayer bekam schließlich von RWE noch ein Trostpflaster, eine Abfindung in Höhe von
€ 400.000.- zum Auflösen seines „Arbeitsvertrages“ rückwirkend zum 31.12.2004.

- Oder: der RWE Führung liegt eine Liste der Innenrevision vor, nach der ca. 40 Politiker ein Gehalt von RWE beziehen und ca. 200 RWE Mitarbeiter gleichzeitig in der Regionalpolitik aktiv sind…(aus Financial Times Deutschland)

- Hinzu kommt, dass RWE (traditionell) hunderte von Politikern in so genannten Beiräten, Regionalbeiräten und mit Aufsichtsratsmandaten finanziell versorgt. Dabei wird mit der begrifflichen Verkleisterung lediglich verschleiert, dass es sich in Wirklichkeit um eine versteckte Vorteilsgewährung handelt, mit dem Ziel, dass die so finanzierten Politiker helfen, die strategischen Ziele von RWE durchzusetzen. Vergütet wird eine „Beiratstätigkeit“ derzeit mit bis zu € 7.250,00 pro Jahr, bei Teilnahme an 5 Sitzungen.

- Im Januar 2006 hat die Kölner Staatsanwaltschaft bestätigt, auch gegen die RWE-Tochter Thyssengas zu ermitteln, wegen der Mitfinanzierung von Vergnügungsreisen ausgewählter Politiker. Ermittelt wird in diesem Zusammenhang auch gegen mehr als 150 Kommunal-politiker und einige Manager. Der Journalist Franz Alt drückt es noch deutlicher aus: „…Die Politiker-Beiräte bei RWE sind faktisch Einrichtungen zur Bestechung der Kommunen…“

Interessant ist die Klärung der Frage, warum nicht, wie im Beamtengesetz vorgesehen, solche Einnahmen von Politikern über einen Freibetrag hinaus an die Stadt- oder Kreiskasse abgeliefert werden ?


Noch interessanter ist die Frage, warum in Deutschland Hunderte von Politikern, eher Tausende, Geld oder andere Vergünstigungen bekommen, als „Beiräte“ , als „Vergnügungsreisende“ oder ganz ohne erkennbare Leistung, obwohl der 1997 neu gefasste
§ 331 StGB u.a. die Vorteilsannahme im Amt mit bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe belegt ?!


Und weiter aus der RWE-homepage:
„… Um eine versteckte Einflussnahme auf politische Prozesse zu verhindern, legte der Vorstand des RWE-Konzerns im Mai 2000 fest, dass Spenden an politische Parteien und ihnen nahe stehende Vereinigungen oder Stiftungen verboten sind…“

dem kann man nur beipflichten, allerdings:
- Der Versicherungskonzern Allianz, Großaktionär bei RWE, überwies 2002 der CDU
€ 125.000.- und der SPD, Gerechtigkeit muss sein, den gleichen Betrag. Die Deutsche Bank, ebenfalls an RWE beteiligt, spendierte der CDU dazu noch € 260.000.- Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

Und weiter mit dem RWE-Verhaltenscodex:
„…das Handeln von RWE und ihrer Mitarbeiter ist bestimmt durch Eigenverantwortung, Aufrichtigkeit, Loyalität sowie dem Respekt gegenüber den Mitmenschen und der Umwelt…“ (Präambel im RWE-Verhaltenscodex)

- Was RWE-Thames Water anbelangt, dürfte das Behauptete nicht zutreffen. Allein 1999 bis 2002 wurde Thames Water in über 20 Fällen in England und Wales zu über 450.000 Pfund Bußgeld verurteilt und setzte sich damit auf Platz 1. im Ranking der Umweltkriminellen. Trotz dieser Verurteilungen kam es zu keiner nennenswerten Verhaltensänderung des Konzerns,
weil offenbar solche Bußgelder „peanuts“ sind und eine akzeptable „Betriebsausgabe“ darstellen. Oder anders gesagt: die Bußgelder sind günstiger als ein respektvoller Umgang mit der Umwelt.

- Oder, um noch in England zu bleiben: jeden Tag versickern allein im Londoner Leitungsnetz
über 900 Millionen Liter Trinkwasser, weil das Tollerieren des Verlustes für RWE-Thames Water günstiger ist, als die Reparatur der Rohrleitungen. Die Kosten der Umweltbelastung tragen, wie meistens, hinterher die Bürger.

- besonders abgebrüht und kaltschnäuzig muten die Lippenbekenntnisse von RWE zur Umwelt auch deshalb an, weil RWE nach wie vor einer der großen Atomstromriesen ist und die Umwelt für tausende von Jahren, auch für die nachkommenden Generationen, mit radioaktivem Müll verseucht. Die berüchtigten Atommülltransporte, sowie die sogenannte „Endlagerung“ wurden und werden nötigenfalls gewaltsam durchgesetzt. Die politische Unterstützung dazu war unter allen Regierungen stets ausreichend abgesichert.
(RWE Kernkraftwerke: Biblis, Lippe-Ems Gmb/Lingen, Grundremmingen, Mülheim-Kärlich)

- über die von RWE betriebene Verstromung von Braunkohle findet eine besonders hoher Co2-Ausstoß statt, der wohl höchste in Europa. Ex-Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hatte zu seiner Amtszeit (Rot-Grün) das Gesetz für den Emissionshandel so ausgestaltet, dass es für die RWE-Braunkohle-Emissionen günstig ausfiel. Nun, im Februar 2006, hat Herr Clement einen Posten als Aufsichtsrat bei RWE-Power bekommen, der für Braunkohle- und Kernenergie zuständigen RWE-Tochter. Ein verspätetes „Dankeschön“?
Zufall ? oder Verflechtung ?

Ferner beschäftigt sich der RWE-Verhaltenscodex ausgiebig mit dem Thema Korruption:
„…monetäre Zuwendungen von Dritten darf ein RWE-Mitarbeiter weder fordern oder entgegennehmen, noch anbieten oder gewähren. Dies gilt ohne Ausnahme und insbesondere gegenüber Amtsträgern, auch solchen ausländischer Staaten oder internationaler Organisationen…“( RWE-Verhaltenscodex Art. 12, Außenbeziehungen)

Dagegen steht wieder die düstere Realität:
- In Lesotho wurden 2003 die RWE-Tochterunternehmen Lahmeyer Consulting Engineers, Concor und Hochtief (inzwischen gehört Hochtief nicht mehr zu RWE) wegen Bestechung im Zusammenhang mit dem „Lesotho Highland Water Project“ zu Strafzahlungen von insgesamt 1,48 Millionen US-Dollar verurteilt !
- Ein anderes Beispiel sind die internationalen Aktivitäten der RWE-Tochter Thames Water in Indonesien. Jahr 1995 begannen Verhandlungen zwischen Thames Water und dem damaligen Indonesischen Diktator Suharto mit dem Ziel, zusammen mit Suez die Wasserversorgung der Hauptstadt und Mega-Metropole Jakarta übernehmen zu wollen. Weil die damaligen Gesetze keine Beteiligung ausländischer Unternehmen an der Wasserversorgung zuließen, hatte der Diktator im Juli 1996 kurzerhand dieses Gesetz außer Kraft gesetzt. Danach, 1997 wurde die Privatisierung beschlossen und dem Sohn des Diktators, Sigit Suharto eine fetten Beteiligung an der neuen Gesellschaft vermacht. Ein Korruptions-Vorgang, der bis heute nicht wirklich aufgearbeitet wurde. 1998 folgte der Sturz des Diktators, die Verträge mit Thames Water wurden annulliert, aber kurze Zeit später wieder neu verhandelt. Heute sind immer noch-, oder wieder Suez und Thames Water die privaten Wasserversorger in Jakarta, mit dem hinlänglich bekannten Leidensweg für die Bevölkerung. Immer wieder Erhöhungen des Wasserpreises, schwere Verunreinigungen, unter anderem mit Schwermetallen und Reinigungsmitteln, sowie die Belastung durch einen Knebelvertrag, der festlegt, dass bei vorzeitiger Beendigung alle Investitionen des Investors an diesen zurückgezahlt- (die Einnahmen darf RWE-Thams Water natürlich behalten) und dass die vereinbarten Profite für die Vertragslaufzeit an den Konzern gezahlt werden müssten. Im Jahre 2003 wurde schließlich der Britische Botschafter eingeschaltet, um bei der Regierung eine weitere Wasserpreiserhöhung durchzusetzen. Anfang 2004 wurde daraufhin der Wasserpreis um weitere 30 % erhöht.

Wenn das Wasser in Indonesien zu sehr verschmutzt ist, gibt es für die Bürger eine Alternative: sie können dann vom französischen Konzern Danone ihr eigenes Wasser in Flaschen abgefüllt (zurück-)kaufen, natürlich zu einem viel höheren Preis. Von Danone und anderen Multis wurden bereits viele Quellen in Indonesien „geplündert“ und zu Rendite-Maschinen umfunktioniert.

Oder ein anderer Passus aus dem Kodex, der besonders interessant klingt:
„… RWE erkennt die Mitverantwortung des Unternehmens und seiner Mitarbeiter für die Entwicklung des Gemeinwohls ausdrücklich an…“ ( Art. 17 Außenbeziehungen, RWE-Verhaltenscodex)

Werfen wir dazu einen Blick nach Berlin. Seit die Finanzsenatorin Anette Fugmann-Heesing (SPD) das Ruder übernommen hatte, war das „Tafelsilber“ nicht mehr sicher und sie verscherbelte städtische Wohnungen, Strom- und Gasbetriebe ganz und die Wasserbetriebe von Berlin zu
49,9 % an ein Konsortium aus RWE-Thames Water und Vivendi, heute Veolia.
Die Bilanz bis heute: um 25% gestiegene Wasserpreise, Abverkauf von wertvollen Grundstücken, Halbierung der Erhaltungsinvestitionen, sowie ein dreister Knebelvertrag, der den Steuerzahler zig Millionen kostet: es wurde eine Renditegarantie von ca. 8 % auf das betriebsnotwendige Kapital der Wasserbetriebe vereinbart-, also auf eine ständig steigende Bemessungsgrundlage-, und das für einen Zeitraum von 28 Jahren! Das bedeutet eine vertragliche Absicherung wachsender Rendite zu Gunsten von RWE und Veolia und zu Lasten der Bürger ! Wie kann es kommen, das Politiker solche absurden –natürlich geheim gehaltenen- Verträge unterzeichnen, obwohl Sie in ihrem Amtseid geschworen haben, die Interessen der Bürgerschaft- und nicht die der Konzerne zu vertreten? Viele Berliner fordern deshalb aktuell die Re-Kommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe und die Offenlegung der Geheimverträge! Damit sieht sich RWE im eigenen Land mit den gleichen Forderungen konfrontiert, wie sie derzeit auch in den USA erhoben werden.

Zum Thema Gemeinwohl hat RWE aber noch mal einen draufgesetzt: in einer 62-Seiten Lektüre „Planet Water, Liquid thinking, practical Solutions“ sind wunderschöne Wasserbilder zu finden, endlose Erklärungen darüber, wie RWE die Wasserprobleme der Welt lösen-, und wie sich die geballte „Mitmenschlichkeit“ über den Planeten ergießen soll.
(web: www.rwethameswater.com und da unter publications& download )

Im Bezug auf die konkreten Auseinandersetzungen in den USA, wo die Bürger ihr Wasser in öffentlicher Hand haben wollen, sind folgende Sätze wichtig:

1. „…Thames Water möchte nur geschäftliche Beziehungen zu Menschen unterhalten, die mit uns auch Geschäfte tätigen wollen, nicht aber mit Menschen, die gezwungen werden, gegen ihren Willen, mit dem Privatsektor zu verhandeln…

2. … Thames Water unterstützt nicht die Bestrebungen der WTO oder anderer multilateraler Institutionen, staatliche Autoritäten zu zwingen ihren öffentlichen Bereich zu liberalisieren…

3. … bei der erfolgreichen Planung und Bereitstellung von Dienstleistungen arbeitet RWE Thames Water mit den wichtigen „Stakeholders“ zusammen, wie den lokalen Regierungen, den lokalen Beschäftigten und den lokalen Gemeinschaften….“

Wenn man diese drei Sätze von RWE ernst nimmt, und das muss man im konkreten Fall, dann bestehen gute Chancen, dass die Bürger in den USA ihr Wasser zurückbekommen.


Zusammenfassend und abschließend stellt sich die Frage, was können Einzelne tun, was können aktive Gruppen und Initiativen tun, um die Bürger in den USA
(und natürlich auch in Berlin) bei der Erreichung ihrer Ziele zu unterstützen ?

- Um wirklich sicher zu gehen, das RWE die Ernsthaftigkeit des Anliegens erkennt, ist es erforderlich, dass die internationale Gemeinschaft mit mobilisiert und das Anliegen der Bürger in den USA mit unterstützt und diese Nachricht so weit wie möglich verbreitet. Besonders wichtig ist dabei die Verbreitung in Deutschland, da nun mal der Hauptsitz des Multi-Utility-Konzerns RWE in Deutschland ist.

- Hilfreich sind ebenso alle Gespräche, die im Rahmen- oder vor den Toren der nächsten RWE Hauptversammlung stattfinden wird, in der Grugahalle am Donnerstag,
dem 13. April in Essen.

- Eine andere Form der Unterstützung könnten Gespräche mit den kommunalen Aktionären von RWE sein, die unter dem Dach des VKA organisiert sind (Verband der kommunalen RWE-Aktionäre GmbH, Dreilindenstrasse 71, 45128 Essen,
Tel. 0201 – 22 13 77, Fax: 0201 – 22 29 74

- Sinnvoll sind sicherlich auch Gespräche mit- oder Briefe an die RWE-Zuständigen oder Vorstände: Herr Harry Roels, Vorsitzender, sowie Herr Dr. Klaus Sturany, Herr Berthold Bonekamp, Herr Jan Zilius und Herr Alwin Fitting, oder Herr Dr. Thomas R. Fischer, Vorsitzender des Aufsichtsrats. (Hinweis: Herr Harry Roels wird voraussichtlich Verständnis für die Forderung der Bürger in den USA haben, weil in seinem Heimatland, den Niederlanden, seit Jahren die Privatisierung der Wasserversorgung verboten ist.)
Adresse:RWE AG, Opernplatz 1, 45128 Essen, Web: www.rwe.com
Telefon: 0201 – 12 00, Fax: 0201 – 12 15 744
Wenn genügend Menschen helfen, kann es gelingen, dass neben Städten wie El Alto, La Paz, Cochabamba, Santa Fe, Atlanta, Grenoble, Potsdam, u.a. die Bürger ihr Wasser zurückbekommen und sich die Liste der erfolgreichen Rekommunalisierungen um weitere Städte und Gemeinden verlängern lässt !


Kontakt in den USA bezüglich dieses Aufrufs:
Victoria Kaplan, nationale Koordinatorin von „Food and Water Watch“
Telephon aus Deutschland: 001 – 202 – 797 – 6556
1400 16 th St NW, Suite 225
Mail: vkaplan@fwwatch.org
Web: www.foodandwaterwatch.org

12 Januar 2006

Ein Regierungssozialist in Aktion. Gaspreisexplosion jetzt doch kein Fall fürs Kartellamt

Zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten hat die Gasag die Preise erhöht.

Seit gestern müssen Privatkunden zwischen 8 und 12 Prozent mehr zahlen. Für einen Durchschnittshaushalt sind das rund zehn Euro im Monat. Die Tarife waren zuletzt im Oktober und davor im Dezember 2004 gestiegen. Innerhalb eines Jahres ist Erdgas für die Berliner Privathaushalte damit fast um ein Drittel teurer geworden.

Kritik an ihrer Preispolitik weist die Gasag zurück und verweist auf den Weltmarkt.

In der Tat sind die Grenzübergangspreise für Gasimporte im selben Zeitraum nach Erhebungen des Bundesamtes für Wirtschaft sogar um 40 Prozent gestiegen.

Hintergrund ist eine mehr als 30 Jahre alte Vertragsvereinbarung zwischen deutschen Gas-Importeuren und Exporteuren aus den Förderländern: die so genannte Ölpreisbindung, die die Preisschwankungen beim Rohöl auf die Gastarife überträgt. Rohöl ist seit 2004 um mehr als 80 Prozent teurer geworden.

Bundeskartellamt, Verbraucherschutzorganisationen wie auch die Europäische Kommission kritisieren die Bindung als überholt - eine überzeugende Strategie gegen das internationale Gaskartell ist bislang jedoch nicht erkennbar.

In Berlin versorgt die Gasag als Monopolist rund 660.000 Haushalte. Ob ihre Preise tatsächlich den Kosten entsprechen oder doch überhöht sind, könnte nur eine detaillierte Offenlegung der Kalkulation zeigen.

Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) hatte erst im Oktober eine kartellrechtrechtliche Prüfung angekündigt, falls der Versorger im Januar nochmals die Preise erhöhe. Dies ist nun geschehen. Wird der Senator ein Prüfverfahren einleiten? Jetzt will die Wirtschaftsverwaltung nur noch geplante "Gespräche mit der Gasag" bestätigen und teilt mit: "Bisher ergab die Beobachtung der Gasag keine Ansatzpunkte für ein Eingreifen der Kartellbehörde."