28 Dezember 2007

Berliner Wasser: Endspurt im Volksbegehren

25000 fordern Offenlegung der Privatisierungsverträge. SPD-Finanzsenator beharrt auf Geheimhaltung

Von Jörn Boewe, jW 29. Dez. 2007


Rund 25000 Unterschriften für das Volksbegehren »Schluß mit den Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück« sind bislang eingegangen, ein Viertel mehr als nötig. Bis Ende Januar wird weitergesammelt: »Mit 30000 Unterschriften sind wir auf der sicheren Seite«, sagte Thomas Rudek vom »Berliner Wassertisch« am Freitag gegenüber jW. Die in der Vorweihnachtswoche amtlich genehmigte nächste Preisrunde dürfte für einen zusätzlichen Motivationsschub sorgen: Ab 1. Januar steigen die Tarife um 1,9 Prozent. Die durchschnittliche Mehrbelastung für einen Vier-Personen-Haushalt liegt nach Angaben der Berliner Wasserbetriebe (BWB) bei rund 17 Euro im Jahr und »unterhalb der Infla-tionsrate«, wie das Unternehmen betont. Seit der Senat 1999 49,9 Prozent der BWB-Anteile an ein privates Investorenkonsortium verkaufte, sind die Preise allerdings um 26 Prozent gestiegen. Die Berliner haben mittlerweile das teuerste Wasser aller deutschen Großstädte. Daß dies mit einer exorbitanten Renditegarantie zu tun hat, die CDU und SPD den privaten Investoren damals zusicherten, wird von Senat und Unternehmensführung seit Jahren vehement bestritten. Die Verträge sind geheim.

20000 Unterschriften wahlberechtigter Berliner müssen laut Landesverfassung innerhalb von vier Monaten zusammenkommen, um »das Abgeordnetenhaus im Rahmen seiner Entscheidungszuständigkeiten mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung, die Berlin betreffen, zu befassen«. Dafür hat es dann weitere vier Monate Zeit. Wie es aussieht, wird das Parlament also noch vor der Sommerpause den Entwurf für ein »Gesetz zur Publizitätspflicht im Bereich der Berliner Wasserwirtschaft« erörtern müssen. Daß es ihn annimmt, ist unwahrscheinlich. Zwar haben sich Anfang Oktober sowohl der private Anteilseigner Veolia als auch Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke) für eine Offenlegung der Verträge ausgesprochen. RWE, der zweite private Teilhaber, erklärte, eine mögliche Veröffentlichung wohlwollend zu prüfen. Doch die vom Sozialdemokraten Thilo Sarrazin geführte Senatsverwaltung für Finanzen stellt sich »eindeutig dagegen«, wie eine Sprecherin auf jW-Nachfrage erklärte. An dieser Haltung würde sich auch nichts ändern, wenn Veolia und RWE einer Veröffentlichung zustimmten. Für die Finanzverwaltung gehe es um »eine grundsätzliche Erwägung, unabhängig davon, was bei den Privaten diskutiert wird«. Die Teilprivatisierung war seinerzeit unter Verantwortung von Sarrazins Vorgängerin Annette Fugmann-Heesing (SPD) zustandegekommen, wie auch der Verkauf des Stromversorgers Bewag, der Gasag und der Wohnungsbaugesellschaft Gehag. Heute ist Fugmann-Heesing als selbständige Unternehmensberaterin im Bereich »Public Private Partnership« unterwegs.

Wie ernst es dem Senat mit der Geheimhaltung ist, konnte die Abgeordnete Heidi Kosche erfahren, die für die Grünen im Landesparlament sitzt. Anfang Juni stellte sie einen Antrag auf Einsicht in eine ganze Liste von Neben- und Ergänzungsverträgen zur BWB-Privatisierung. Als Abgeordnete hat sie ein viel weitergehendes Akteneinsichtsrecht als normale Bürger, das laut Artilkel 45 (2) der Berliner Verfassung nur verweigert werden darf, wenn es »zwingend« erforderlich ist. Nach fast sieben Monaten hat Kosche noch immer keinen Bescheid erhalten, geschweige denn Einblick in die Unterlagen.

Mitmachen beim Volksbegehren: 0163 / 664 87 39
berliner-wassertisch.net

10 Dezember 2007

Wolf vermeidet Akten

Seit 2004 werden Anträge auf Wasser- und Strompreiserhöhungen in der Berliner Wirtschaftsverwaltung nicht mehr dokumentiert. Jetzt schreitet das OVG ein

Von Jörn Boewe, jW 10. Dez. 2007


Der Senat von Berlin will bürokratische Regelungen, die unternehmerisches Handeln unnötig einschränken, vereinfachen oder abschaffen, wo immer dies möglich ist«, heißt es in einem Aufruf von Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke) an die Unternehmer der Hauptstadt. Beim Aufbau einer »wirtschaftsfreundlichen Verwaltung« hat Wolf in seinen bislang fünf Amtsjahren Beachtliches geleistet, doch in der vergangenen Woche mußte er einen herben Rückschlag einstecken. Eine der zentralen Innovationen seiner Amtszeit– die Verschlankung des Tarifgenehmigungsverfahrens für Versorgungsunternehmen – wird jetzt von der Justiz torpediert.

Nach einer am Mittwoch bekanntgewordenen Urteilsbegründung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg wird das Land verpflichtet, bestimmte Akten »wiederzubeschaffen«, die Wolfs Verwaltung im Zuge ihres Bürokratieabbaus voreilig aus der Hand gegeben hatte. Es handelt sich um Antragsunterlagen, die die Berliner Wasserbetriebe (BWB) 2003 bei der Tarifgenehmigungsbehörde eingereicht hatten. Diese war der damaligen Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen (SenWAF) zugeordnet.

Das Land Berlin hatte 1999 knapp die Hälfte seiner Anteile an den kommunalen Wasserbetrieben an ein privates Investorenkonsortium verkauft. Das teilprivatisierte Unternehmen wurde verpflichtet, die Preise bis Ende 2003 stabil zu halten. 2004 sollten sie endlich steigen, und zwar um ganze 15 Prozent. Allerdings mußten sich die BWB die Anhebung von Wolfs Behörde genehmigen lassen und reichten dazu ihre Kalkulation samt Gutachten einer Wirtschaftsprüfgesellschaft ein.Im Dezember 2003 wurde der Antrag bewilligt. Am 16. August 2004 stellte der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) bei SenWAF einen Antrag auf Akteneinsicht nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz. Wolfs Verwaltung schickte die Papiere daraufhin an die Wasserbetriebe zurück. Dem BBU teilte man mit, daß dem Einsichtsverlangen nicht stattgegeben werden könne, schließlich habe man keine Unterlagen mehr. Seit April 2004 ist diese »Aktenführung« im Hause Wolf gängige Praxis – nicht nur bei den Wassertarifen, sondern auch bei den Strompreisen. Noch Anfang November 2006 rechtfertigte Wolfs Staatssekretär Volkmar Strauch (SPD) in einem Brief an den BBU das Verfahren, bei dem »die behördliche Entscheidung zwar auf der Auswertung eingereichter Unterlagen Dritter beruht, nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung aber nur eine Aufbewahrung des abgeschlossenen Amtsvorgangs, nicht aber eine Zurückbehaltung der Unterlagen Dritter notwendig ist«.

Nach zweijährigem Prozessieren durch die Instanzen hat der BBU Anfang Oktober vor dem OVG nicht nur sein Aktenseinsichtsrecht erstritten; mit der Urteilsbegründung ist das Land Berlin nun auch verpflichtet worden, die Akten wiederzubeschaffen. Harald Wolfs Verwaltung ist allerdings fein raus: Anfang 2007 wurde die Tarifgenehmigungsbehörde des Landes der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz von Wolfs Genossin Katrin Lompscher zugeteilt. Dort ist man sich der Tragweite des OVG-Urteils offenbar noch gar nicht bewußt: »Wir haben damit nichts zu tun«, erklärte eine Sprecherin am Freitag auf jW-Nachfrage.

06 Dezember 2007

Teilsieg im Volksbegehren

Unterschriftenliste fast komplett: »Schluß mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück«. Noch bis 31. Januar wird gesammelt

Von Jörn Boewe, jW 6. Dez. 2007

Die erste Hürde im Volksbegehren für die Offenlegung der Verträge über die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) ist praktisch genommen. Bislang seien 19128 Unterschriftsbögen im Organsiationsbüro eingegangen, heißt es in einer Erklärung des »Berliner Wassertischs« vom Mittwoch. »Immer mehr Menschen beteiligen sich und sammeln für unseren Gesetzentwurf entweder im unmittelbaren persönlichen Umfeld oder aktiv in der Öffentlichkeit«, erklärte Thomas Rudek, einer der Initiatoren des Volksbegehrens. »Viele wußten nichts von den Geheimverträgen zwischen dem Berliner Senat und den Konzernen RWE und Veolia und sind nun entsetzt, wie wir von Politik und Wirtschaft informativ entmündigt werden«, so Rudek weiter.

1999 hatte der damalige CDU-SPD-Senat 49,9 Prozent der BWB an die beiden Konzerne RWE und Vivendi (heute Veolia) verkauft. Die Stadt erhielt knapp 1,69 Milliarden Euro. Die beiden Konzerne bekamen vom Senat im Gegenzug eine Renditegarantie für 28 Jahre. Die beschert ihnen Einnahmen, die, auf das heutige Datum »abgezinst« – wie das die Buchhalter nennen – einer Summe von 3,25 Milliarden Euro entsprechen. Der Vertrag wird bislang geheimgehalten.

Allerdings hat das Volksbegehren die Dinge schon ein bißchen durcheinandergewirbelt. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke), dessen Haus bislang als Trutzburg der Geheimniskrämerei galt, sprach sich am 11. Oktober im Abgeordnetenhaus für eine Offenlegung der Verträge aus – sofern die privaten Teilhaber nichts dagegen hätten. Fünf Tage zuvor hatte Veolia-Sprecher Helmut Lölhöffel öffentlich erklärt, daß sich sein Unternehmen einer Offenlegung nicht entgegenstellen würde. »Der Senat weiß, daß wir für eine weitgehende Veröffentlichung sind«, bekräftigte Lölhöffel Ende Oktober gegenüber jW. Im übrigen sei das schon seit längerem die Position von Veolia.

Nicht so eindeutig liegen die Dinge bei RWE. Dort prüft man seit einigen Wochen, konnte sich aber bislang nicht zu einer abschließenden Position durchringen. »Da hängt einiges dran, und wir wollen nichts gegen den Senat unternehmen«, so Eric Beckedahl, Leiter des »Projekts Berlin« bei REW Aqua gestern gegenüber jW. Von den Äußerungen Wolfs sei man »überrascht« gewesen, denn bislang habe »sich der Senat immer anders positioniert«. Jetzt suche man zunächst Antwort auf die Frage: »Wie sieht der Senat das wirklich?«

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hat sich zu den Ankündigungen Wolfs bislang nicht geäußert. Ende Oktober hieß es auf Nachfrage, man prüfe, gestern prüfte man noch immer. Das Problem ist, daß man bei der Finanzverwaltung (SenFin) in dieser Angelegenheit nie sicher sein kann, wer prüft – die Verwaltung selbst oder die Anwälte von Freshfields Bruckhaus Deringer. Bescheide, mit denen SenFin in den letzten Jahren Anträge auf Akteneinsicht in die Geheimverträge ablehnte, waren in weiten Teilen wortgleich mit einem Gutachten, das die internationale Wirtschaftskanzlei für die privaten Anteilseigner erstellt hatte.

05 Dezember 2007

Transparenz im Trüben

Berliner Wasserbetriebe stellen Handbuch zur Tarifkalkulation vor. Wieviel von ihrem Rechnungsbetrag an private Investoren fließt, erfahren die Verbraucher daraus nicht

Von Jörn Boewe, junge Welt, 5.12.07

Das Berliner Leitungswasser ist ziemlich kalkhaltig, ansonsten aber von sehr guter Qualität. Ob diese allerdings den aktuellen Preis von 4,71 Euro je Kubikmeter inklusive Schmutzwasserentgelt rechtfertigt, ist schwer zu durchschauen. Bislang war das – zumindest für Otto Normalverbraucher – eine eher trübe Angelegenheit, doch von nun an soll alles kristallklar werden. Am Dienstag haben die Berliner Wasserbetriebe (BWB) ein Handbuch zur Tarifkalkulation vorgestellt, das »einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion über Trink- und Abwassertarife und zugleich zur Transparenz« leisten soll, erklärte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke), zugleich BWB-Aufsichtsrats-chef. Die 20seitige Broschüre erläutert – ohne allzuviel konkrete Zahlen zu nennen – in allgemeinverständlicher Form Rechtsgrundlagen und Struktur der Berechnung. Anfang 2008 wollen die BWB zudem ihre gesamte Tarifkalkulation offenlegen.
Diese »Transparenzoffensive« kommt nicht von ungefähr. Anfang Oktober erstritt der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) vor dem Oberverwaltungsgericht das Recht auf Akteneinsicht in die Kalkulationsunterlagen für 2004.
Wenn’s rück- und seitwärts nicht mehr geht, muß man eben vorwärtspreschen: »Wir haben nie verweigert, unsere Unterlagen herauszugeben«, sagte BWB-Vorstandschef Jörg Simon gestern. Jedenfalls, fügte er hinzu, »im Rahmen von Gerichtsprozessen«. Daß das dann auch schon mal zwei Jahre dauern und durch die Instanzen gehen muß, ist nicht Schuld der Wasserbetriebe.
Zur Zeit entwickeln die Hauptstädter ein gewisses Interesse an der Frage, warum sie mittlerweile bundesweit fast die höchsten Wasserpreise zahlen müssen. Schließlich leidet das Berliner Urstromtal chronisch eher unter einem zu hohen Grundwasserstand denn unter Trockenheit. Nach oben gingen die Preise, nachdem das Land 1999 genau 49,9 Prozent der BWB an die Konzerne RWE und Veolia (damals Vivendi) verkaufte und diesen in einem Geheimvertrag eine Mindestrendite von jeweils zwei Prozent über dem Zinssatz langjähriger Bundesschatzbriefe garantierte. Seit 2003 sind die Tarife um 26 Prozent gestiegen. Zum 1. Januar ist die nächste Anhebung um 1,9 Prozent genehmigt. Vor diesem Hintergrund sieht es so aus, als ob das im Sommer gestartete Volksbegehren zur Offenlegung der Geheimverträge immerhin die erste Hürde von 20000 Unterschriften schaffen könnte – auch ohne die Unterstützung der Linkspartei.
Die interessante Frage, wie groß der Teil ihrer Wasserrechnung ist, den die Berliner als Rendite an die privaten Anteilseigner zahlen, wird mit dem Kalkulationshandbuch freilich nicht beantwortet. Allerdings, und darin besteht ihr aufklärerischer Wert, macht die Broschüre transparenter, in welchen buchhalterischen Posten er sich versteckt: Es ist die 2003 auf Initiative von Linkspartei-Senator Wolf eingeführte »Abschreibung auf Wiederbeschaffungszeitwerte« sowie der vom Land verordnete »Zinssatz auf das betriebsnotwendige Kapital«. Beide sind im bundesweiten Vergleich »außergewöhnlich«, räumte Simon gestern ein. So brachte die veränderte Abschreibungsmethode den BWB 2004 auf einen Schlag um 55,2 Millionen Euro höhere kalkulatorische Kosten, die auf die Tarife umgelegt wurden. Der Verordnungszinssatz – Grundlage für den Gewinn – beträgt derzeit 7,77 Prozent. Auch hier liegt die Hauptstadt weit über dem Durchschnitt: Bundesweit üblich seien »zwischen drei und sieben, acht Prozent«, sagte Simon auf jW-Nachfrage.

23 November 2007

Genosse der Bosse

Berlins Wirtschaftssenator will endlich Großkundenrabatte beim Trinkwasser durchsetzen

Von Jörn Boewe, jW 23. Nov. 2007

Der SPD-Linkspartei-Senat will noch im Dezember das 2006 beschlossene Berliner-Betriebe-Gesetz zu ändern. Einer der Kernpunkte ist die Einführung einer Anschlußpflicht bei der Versorgung mit Trinkwasser durch die Berliner Wasserbetriebe (BWB). Ab 1. Januar dürfen Grundstückseigentümer keine eigenen Brunnen mehr bohren, um sich den hohen Wassertarifen der Hauptstadt zu entziehen. Seit der Teilprivatisierung der ehemals kommunalen BWB 1999 sind die Preise um mehr als ein Viertel gestiegen. Für schon bestehende Trinkwasserbrunnen soll es Übergangsregelungen geben. Die Anschlußpflicht werde »aus Gründen des öffentlichen Wohls« eingeführt, heißt es im Gesetzentwurf aus der Wirtschaftsverwaltung von Linkspartei-Senator Harald Wolf. Neben dem öffentlichen kommt aber auch das private Wohl der Anteilseigner RWE und Veolia nicht zu kurz, die 49 Prozent an den BWB halten, für die ihnen das Land Berlin eine Rendite von »r + 2 Prozent« garantiert. Das kleine »r« steht dabei für den Zinssatz langfristiger Bundesschatzbriefe. Der Gewinn wird fällig, egal wie die Geschäfte laufen: Notfalls muß er aus dem Landeshaushalt gezahlt werden.

Zwar ist der Anteil der privaten Brunnen an der Trinkwasserentnahme im dichtbesiedelten Berlin eher gering: Während die BWB im vergangenen Jahr ein Grundwasser-entgelt von 51 Millionen Euro an das Land abführten, zahlten private Brunnenbetreiber ganze drei Millionen. Da die Wasserpreise allerdings weiter steigen werden (am 1. Januar kommt die nächste Anhebung um zwei Prozent), hätte die Aussicht auf einen eigenen Brunnen zu einer immer attraktiveren Alternative werden können – für Unternehmen, aber auch für Eigenheimbesitzer. Mit der Änderung allerdings wird »Rot-Rot« nun das halb staatlich halb private Monopol der BWB für die Zukunft absichern.

Zwei weitere interessante Unterpunkte finden sich in dem »linken« Gesetzentwurf. So heißt es in Paragraph 4 (4): »Der Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ... im Einzelfall eine Befreiung vom Anschluß- und Benutzerzwang ... vorzusehen«. Eine Regelung, die in Abgeordnetenkreisen schon mal »Lex Coca-Cola« genannt wird. Auch wenn bislang nicht bekannt ist, ob der US-amerikanische Softdrinkhersteller gedenkt, die Option in Anspruch zu nehmen. Ein weiteres Geschenk an die Lobbyisten der Großindustrie findet sich weiter unten, in Paragraph 14 (6). »Die Tarife können progressiv oder degressiv gestaltet werden«, heißt es dort. De facto soll damit die alte Forderung der Industrie- und Handelskammer nach Mengenrabatten für Großkunden erfüllt werden. Die IHK hat in Senator Wolf seit langem einen Vorkämpfer: Bereits 2003 wollte er die Preisabschläge einführen, scheiterte damals jedoch und seitdem wiederholt am Widerstand der SPD. 2003 war das erste Jahr, in dem das Land Berlin auf einen Teil seiner Gewinne aus den BWB verzichten mußte, um die Ansprüche von RWE und Veolia zu befriedigen. Vor diesem Hintergrund war die Mehrheit der Sozialdemokraten nicht bereit, nun auch noch die Industrie zu entlasten. Die PDS stand mit ihrem Senator geschlossen an der Seite der Unternehmer und IHK-Bosse.

27 Oktober 2007

Durchsichtige Sache

Quelle: junge Welt, 23.10.2007

Das Geschäft mit dem Berliner Wasser soll transparenter werden. Linkspartei stellt sich an die Spitze des Kampfes um Veröffentlichung der Privatisierungsverträge

Von Jörn Boewe

Erstaunliche Pirouetten und dialektische Volten bei der Berliner Linkspartei: Vor gerade mal sechs Wochen hatte der Landesvorstand beschlossen, seinen Tempelhof-Schöneberger Genossen das Unterschriftensammeln für die Offenlegung der Geheimverträge zum Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe zu verbieten – wenigstens in den Räumlichkeiten der Partei. Jetzt stellen sich Landeschef Klaus Lederer und Linke-Wirtschaftssenator Harald Wolf an die Spitze des Kampfes um Transparenz. Die Hauptstädter hätten ein »berechtigtes Interesse, den Inhalt dieser Verträge kennenzulernen«, erklärte Wolf – nahezu unbeachtet von der Presse – am 11. Oktober in einer Fragestunde des Abgeordnetenhauses. Die Vorlage hatte ihm sein Parteichef Lederer geliefert, der tags darauf den Ball mit einer Presseerklärung wieder aufnahm: »Die Linke Berlin unterstützt den Senat und den Wirtschaftssenator in seinem Bemühen, mit den Investoren Veolia und RWE über eine Offenlegung der Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe zu verhandeln«, so Lederer. »Ich fordere die Investoren auf, den Weg für die Offenlegung der Verträge so schnell als möglich freizumachen.«

Noch jemand machte in diesen Tagen eine Wende: Knapp eine Woche zuvor – am 6. Oktober – hatte sich bereits einer der beiden »Investoren«, die Firma Veolia, in Person von Pressesprecher Helmut Lölhöffel in der Angelegenheit geäußert. Der Konzern würde die Offenlegung der Verträge »begrüßen«, sagte er auf einer Fachtagung in Berlin.

Möglicherweise kam der Sinneswandel unter dem Einfluß eines Urteils des Berliner Verwaltungsgerichts zustande. Nach einem zwei Jahre währenden Verfahren hatten die Richter am 2.Oktober dem Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen das Recht auf Einsicht in die Tarifkalkulation der Wasserbetriebe zugesprochen.

Bislang hatten die beiden zuständigen Senatsverwaltungen – das vom Sozialdemokraten Thilo Sarrazin geführte Finanzressort und die dem Linken Harald Wolf unterstehende Wirtschaftsverwaltung – Privatisierungsverträge und Preiskalkulation des halböffentlichen Unternehmens strengstens unter Verschluß gehalten. Anträge auf Akteneinsicht nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz wurden von den Rechtsabteilungen tapfer abgewehrt. Es bestehe »kein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit«, schrieb beispielsweise die Finanzverwaltung vor zwei Jahren in einem einschlägigen Widerspruchsbescheid, unter anderem weil das Grundgesetz nur das Privateigentum schütze, »aber nicht das Staatsvermögen«.

1999 hatte der damalige CDU-SPD-Senat 49,9 Prozent der Anteile der Wasserbetriebe zu gleichen Teilen an RWE und Vivendi (heute: Veolia) veräußert. Damit diese kein unternehmerisches Risiko eingehen mußten, garantierte man ihnen im Kaufvertrag eine Mindestrendite. Diese sollte – egal wie die Geschäfte laufen würden – immer zwei Prozent über dem Zinssatz langfristiger Bundesanleihen liegen. Momentan beträgt sie etwa acht Prozent. Mittlerweile hat Berlin das mit Abstand teuerste Wasser aller deutschen Großstädte. Seit 2003 ist der Kubikmeterpreis um ein gutes Viertel angestiegen. Zum 1. Januar ist eine weitere Anhebung um zwei Prozent geplant.

26 September 2007

Auswärtsspiel in Spandau

Westberliner Bezirksverbände der Linken fühlen sich vom Landesvorstand gegängelt. Doch dem mißlingt das immer öfter

Von Jörn Boewe, jW 26. Sept. 2007


Ganz zum Schluß muß der Vizeparteichef dann doch noch was sagen. »Genossen, die Tarifverhandlungen laufen doch schon seit einem halben Jahr ...«, versucht Wolfgang Albers, stellvertretender Landesvorsitzender der Partei Die Linke in Berlin, dem renitenten Spandauer Bezirksverband einen Beschluß zur Unterstützung der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes auszureden. Albers hat recht. Der »rot-rote« Senat verhandelt schon seit Weihnachten 2006. »Aber es gibt bis heute kein Angebot«, erwidert eine Genossin.

»Doch«, sagt Albers. »Der Innensenator hat den Gewerkschaften im August sogar angeboten, in den Flächentarifvertrag zurückzukehren.«

»Mit Lohn- und Gehaltssteigerungen?« fragt ein anderer.

Der Parteivize: »Ohne die Entgeltbestandteile ...« Ende der Argumentation.

Das hier ist kein Heimspiel. Spandau, fünfter Verwaltungsbezirk der Hauptstadt, liegt am Westufer der Havel und gehört nach Meinung der Spandauer gar nicht wirklich zu Berlin – nach Meinung der Berliner übrigens auch nicht. Aber das hier hat nichts mit Geografie und Lokalpatriotismus zu tun. An die achtzig Leute zählt der hiesige Bezirksverband der Linken, und rund die Hälfte sind am Montag abend im »Roten Laden Salvador Allende« in der Spandauer Altstadt zusammengekommen, um ihren neuen Bezirksvorstand zu wählen; und Albers, begleitet von Landesschatzmeisterin Sylvia Müller, soll nachsehen, ob alles mit rechten Dingen zugeht.

Denn es gibt Anlaß zur Sorge. Anfang Juli beschloß der Bezirksverband mit großer Mehrheit, drei Berliner Volksbegehren für die Demokratisierung der Hochschulen, für die Offenlegung der Geheimverträge zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe und für ein gemeinwohlorientiertes Sparkassengesetz zu unterstützen. Für die Demokratisierung der Hochschulen sind die Genossen im Landesvorstand auch, aber die anderen zwei Kampagnen empfinden sie offenbar als Angriff auf die eigene Regierungspolitik. Erst in der vergangenen Woche hatte der Landesgeschäftsführer Carsten Schatz versucht, entsprechende Beschlüsse seines Bezirksverbands Tempelhof-Schöneberg mit einer offenkundig vorgeschobenen, formalen Begründung von der Landesschiedskommission annullieren zu lassen. Albers hat, was kein Kunststück ist, mehr taktisches Feingefühl als Schatz – aber Mißtrauen schlägt ihm in Spandau ebenfalls entgegen: »Auch wir sollen auf Linie gebracht werden«, argwöhnen die Genossen.

Schlechte Stimmung zwischen Bezirksverband und Landesvorstand gab es schon im Frühjahr. Damals hatten die Spandauer Genossen, gemeinsam mit anderen antirassistischen Initiativen, auf die »inhumanen Zustände« im Abschiebelager in der Motardstraße hingewiesen. »Warum sind die Toiletten und Duschkabinen nicht abschließbar?« fragte der Vertreter der Linken, Karlheinz Zesch, in der Bezirksverordnetenversammlung. »Wer ist für diese menschenunwürdigen Zustände verantwortlich?« Sozialstadtrat Martin Matz (SPD) verwies auf die Senatorin Heidi Knake-Werner (Die Linke). Es rauschte ein paar Tage im Blätterwald, dann reiste die Senatorin zur Besichtigung an, fand alles nicht so schlimm und vergaß nicht zu betonen, daß sie nicht eine einzige Küchenschabe gesehen habe – wofür ihr eine antirassistische Gruppe die Auszeichnung »Goldene Kakerlake« verlieh.

Die Spandauer Genossen sind bis heute sauer: »Wenn die Senatorin mit Voranmeldung und großem Presserummel hierher kommt, läßt man sie natürlich nur ›Vorzeigezimmer‹ sehen«, erregt sich Vorstandsmitglied Piotr Luczak. So stellt man sich hier die Zusammenarbeit mit »unseren Senatoren« nicht vor. »Konsequente linke Politik«, sagt Luczak, »ist nur durchsetzbar, wenn sich die Akteure nicht als verlängerter Arm von Regierungen und Koalitionen verstehen, sondern unbeugsam die Interessen der Unterdrückten, seien es Deutsche oder Nichtdeutsche, vertreten.«

Wie die Zentrale sich die Zusammenarbeit vorstellt, wird an diesem Abend nicht mehr verraten. Man werde den neuen Bezirksvorstand »mal einladen«, sagt Albers zum Abschied, »und dann können wir uns darüber unterhalten, was wir von euch erwarten und was ihr von uns erwartet.«

die-linke-spandau.de

20 September 2007

Unterstützen heißt behindern

Die Linke in Berlin: Bezirksverband darf keine Unterschriften für Volksbegehren gegen Privatisierungspolitik sammeln. Schiedsgericht soll Beschlüsse kassieren

Von Jörn Boewe, jW 20. Sept. 2007


»Der demokratische Zentralismus ist vorbei«, hatte Berlins Linksparteichef Klaus Lederer vor ein paar Wochen erklärt. Er vergaß hinzuzufügen: Aber nur der demokratische. Wie es der Berliner Landesvorstand mit dem – nennen wir ihn mal: »bürokratischen« – Zentralismus hält, kann man im kürzlich veröffentlichten Protokoll der Vorstandssitzung vom 11. September an einem handlichen Fallbeispiel studieren.

Mit einem »einstimmig, ohne Enthaltungen« gefaßten Beschluß verbietet Lederers »kleines Zentralkomitee« dem Bezirksverband Tempelhof-Schöneberg, in den Räumen seiner »Bezirksgeschäftsstelle« Unterschriften für zwei Volksbegehren zu sammeln. Eines fordert die Offenlegung der Geheimverträge zum Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe durch die CDU-SPD-Koalition 1999, das andere will eine gemeinwohlorientierte Novellierung des Berliner Sparkassengesetzes erzwingen.

»Im Landesverband Berlin gibt es keine Bezirksgeschäftsstellen«, stellt der Vorstand in seiner Begründung fest. »Es gibt die Landesgeschäftsstelle, die politisch-kulturelle Zentren in Berliner Bezirken betreibt. Dort arbeiten Mitarbeiter/innen der Landesgeschäftsstelle, die die Arbeit der Bezirksverbände unterstützen.«

»Unterstützen« – das ist witzig: Der Bezirksverband hatte am 22. August mit großer Mehrheit beschlossen, »die Sammlung von Unterschriften an öffentlichen Plätzen zu organisieren, gegebenenfalls auch im Rahmen von Bündnissen mit anderen Organisationen«, und seine Mitglieder aufgerufen, »sich zahlreich an der Sammlung von Unterschriften für diese Volksbegehren zu beteiligen«.

»Der Landesvorstand«, liest man in dessen jüngstem Protokoll nun weiter, »und die von ihm errichtete Landesgeschäftsstelle sind an die Beschlüsse des Landesparteitages gebunden.« Der wiederum habe im Juli »Anträge zur Unterstützung der Volksbegehren zur Sparkasse und zur Offenlegung der Privatisierungsverträge abgelehnt« – mit knappen Mehrheiten, aber das steht da nicht – und: »An diesen Beschluß des Landesparteitages ist der Landesvorstand gebunden und wird daher dem Ansinnen der Mitgliederversammlung nicht folgen, da es einer Aufforderung zum Satzungsbruch gleichkommt.«

Eine fabelhafte Argumentation! Kleinkariert, unpolitisch und sachlich falsch: Es gibt keinen Parteitagsbeschluß, der den Vorstand verpflichten würde, Bezirksgliederungen das Unterschriftensammeln in den »politisch-kulturellen Zentren« zu verbieten. Egal – eine ehrliche Begründung wäre schließlich noch peinlicher: Die beiden Volksbegehren passen einfach nicht so recht in die »investorenfreundliche« Linie des »rot-roten« Senats.

Denn um nichts anderes geht es. Die Bestätigung hat Landesgeschäftsführer und Vorstandsmitglied Carsten Schatz gleich selbst geliefert. Schatz, der im renitenten Tempelhofer Bezirksverband seine Beiträge zahlt, beantragte beim Landesschiedsgericht die komplette Annullierung der Beschlüsse vom 22. August. Erneut wird die Parteisatzung zur Begründung bemüht: Angeblich hätten die Beschlußanträge den Mitgliedern vier oder sechs Wochen vor der Versammlung zugestellt werden müssen. Schaut man allerdings in die Satzung, findet man eine solche Regelung nur für Parteitage – nicht aber für Mitgliederversammlungen der Bezirke. Am Freitag wird sich das Schiedsgericht mit der Angelegenheit befassen.