10 Dezember 2007

Wolf vermeidet Akten

Seit 2004 werden Anträge auf Wasser- und Strompreiserhöhungen in der Berliner Wirtschaftsverwaltung nicht mehr dokumentiert. Jetzt schreitet das OVG ein

Von Jörn Boewe, jW 10. Dez. 2007


Der Senat von Berlin will bürokratische Regelungen, die unternehmerisches Handeln unnötig einschränken, vereinfachen oder abschaffen, wo immer dies möglich ist«, heißt es in einem Aufruf von Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke) an die Unternehmer der Hauptstadt. Beim Aufbau einer »wirtschaftsfreundlichen Verwaltung« hat Wolf in seinen bislang fünf Amtsjahren Beachtliches geleistet, doch in der vergangenen Woche mußte er einen herben Rückschlag einstecken. Eine der zentralen Innovationen seiner Amtszeit– die Verschlankung des Tarifgenehmigungsverfahrens für Versorgungsunternehmen – wird jetzt von der Justiz torpediert.

Nach einer am Mittwoch bekanntgewordenen Urteilsbegründung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg wird das Land verpflichtet, bestimmte Akten »wiederzubeschaffen«, die Wolfs Verwaltung im Zuge ihres Bürokratieabbaus voreilig aus der Hand gegeben hatte. Es handelt sich um Antragsunterlagen, die die Berliner Wasserbetriebe (BWB) 2003 bei der Tarifgenehmigungsbehörde eingereicht hatten. Diese war der damaligen Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen (SenWAF) zugeordnet.

Das Land Berlin hatte 1999 knapp die Hälfte seiner Anteile an den kommunalen Wasserbetrieben an ein privates Investorenkonsortium verkauft. Das teilprivatisierte Unternehmen wurde verpflichtet, die Preise bis Ende 2003 stabil zu halten. 2004 sollten sie endlich steigen, und zwar um ganze 15 Prozent. Allerdings mußten sich die BWB die Anhebung von Wolfs Behörde genehmigen lassen und reichten dazu ihre Kalkulation samt Gutachten einer Wirtschaftsprüfgesellschaft ein.Im Dezember 2003 wurde der Antrag bewilligt. Am 16. August 2004 stellte der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) bei SenWAF einen Antrag auf Akteneinsicht nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz. Wolfs Verwaltung schickte die Papiere daraufhin an die Wasserbetriebe zurück. Dem BBU teilte man mit, daß dem Einsichtsverlangen nicht stattgegeben werden könne, schließlich habe man keine Unterlagen mehr. Seit April 2004 ist diese »Aktenführung« im Hause Wolf gängige Praxis – nicht nur bei den Wassertarifen, sondern auch bei den Strompreisen. Noch Anfang November 2006 rechtfertigte Wolfs Staatssekretär Volkmar Strauch (SPD) in einem Brief an den BBU das Verfahren, bei dem »die behördliche Entscheidung zwar auf der Auswertung eingereichter Unterlagen Dritter beruht, nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung aber nur eine Aufbewahrung des abgeschlossenen Amtsvorgangs, nicht aber eine Zurückbehaltung der Unterlagen Dritter notwendig ist«.

Nach zweijährigem Prozessieren durch die Instanzen hat der BBU Anfang Oktober vor dem OVG nicht nur sein Aktenseinsichtsrecht erstritten; mit der Urteilsbegründung ist das Land Berlin nun auch verpflichtet worden, die Akten wiederzubeschaffen. Harald Wolfs Verwaltung ist allerdings fein raus: Anfang 2007 wurde die Tarifgenehmigungsbehörde des Landes der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz von Wolfs Genossin Katrin Lompscher zugeteilt. Dort ist man sich der Tragweite des OVG-Urteils offenbar noch gar nicht bewußt: »Wir haben damit nichts zu tun«, erklärte eine Sprecherin am Freitag auf jW-Nachfrage.

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