23 November 2007

Genosse der Bosse

Berlins Wirtschaftssenator will endlich Großkundenrabatte beim Trinkwasser durchsetzen

Von Jörn Boewe, jW 23. Nov. 2007

Der SPD-Linkspartei-Senat will noch im Dezember das 2006 beschlossene Berliner-Betriebe-Gesetz zu ändern. Einer der Kernpunkte ist die Einführung einer Anschlußpflicht bei der Versorgung mit Trinkwasser durch die Berliner Wasserbetriebe (BWB). Ab 1. Januar dürfen Grundstückseigentümer keine eigenen Brunnen mehr bohren, um sich den hohen Wassertarifen der Hauptstadt zu entziehen. Seit der Teilprivatisierung der ehemals kommunalen BWB 1999 sind die Preise um mehr als ein Viertel gestiegen. Für schon bestehende Trinkwasserbrunnen soll es Übergangsregelungen geben. Die Anschlußpflicht werde »aus Gründen des öffentlichen Wohls« eingeführt, heißt es im Gesetzentwurf aus der Wirtschaftsverwaltung von Linkspartei-Senator Harald Wolf. Neben dem öffentlichen kommt aber auch das private Wohl der Anteilseigner RWE und Veolia nicht zu kurz, die 49 Prozent an den BWB halten, für die ihnen das Land Berlin eine Rendite von »r + 2 Prozent« garantiert. Das kleine »r« steht dabei für den Zinssatz langfristiger Bundesschatzbriefe. Der Gewinn wird fällig, egal wie die Geschäfte laufen: Notfalls muß er aus dem Landeshaushalt gezahlt werden.

Zwar ist der Anteil der privaten Brunnen an der Trinkwasserentnahme im dichtbesiedelten Berlin eher gering: Während die BWB im vergangenen Jahr ein Grundwasser-entgelt von 51 Millionen Euro an das Land abführten, zahlten private Brunnenbetreiber ganze drei Millionen. Da die Wasserpreise allerdings weiter steigen werden (am 1. Januar kommt die nächste Anhebung um zwei Prozent), hätte die Aussicht auf einen eigenen Brunnen zu einer immer attraktiveren Alternative werden können – für Unternehmen, aber auch für Eigenheimbesitzer. Mit der Änderung allerdings wird »Rot-Rot« nun das halb staatlich halb private Monopol der BWB für die Zukunft absichern.

Zwei weitere interessante Unterpunkte finden sich in dem »linken« Gesetzentwurf. So heißt es in Paragraph 4 (4): »Der Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ... im Einzelfall eine Befreiung vom Anschluß- und Benutzerzwang ... vorzusehen«. Eine Regelung, die in Abgeordnetenkreisen schon mal »Lex Coca-Cola« genannt wird. Auch wenn bislang nicht bekannt ist, ob der US-amerikanische Softdrinkhersteller gedenkt, die Option in Anspruch zu nehmen. Ein weiteres Geschenk an die Lobbyisten der Großindustrie findet sich weiter unten, in Paragraph 14 (6). »Die Tarife können progressiv oder degressiv gestaltet werden«, heißt es dort. De facto soll damit die alte Forderung der Industrie- und Handelskammer nach Mengenrabatten für Großkunden erfüllt werden. Die IHK hat in Senator Wolf seit langem einen Vorkämpfer: Bereits 2003 wollte er die Preisabschläge einführen, scheiterte damals jedoch und seitdem wiederholt am Widerstand der SPD. 2003 war das erste Jahr, in dem das Land Berlin auf einen Teil seiner Gewinne aus den BWB verzichten mußte, um die Ansprüche von RWE und Veolia zu befriedigen. Vor diesem Hintergrund war die Mehrheit der Sozialdemokraten nicht bereit, nun auch noch die Industrie zu entlasten. Die PDS stand mit ihrem Senator geschlossen an der Seite der Unternehmer und IHK-Bosse.

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