05 Dezember 2007

Transparenz im Trüben

Berliner Wasserbetriebe stellen Handbuch zur Tarifkalkulation vor. Wieviel von ihrem Rechnungsbetrag an private Investoren fließt, erfahren die Verbraucher daraus nicht

Von Jörn Boewe, junge Welt, 5.12.07

Das Berliner Leitungswasser ist ziemlich kalkhaltig, ansonsten aber von sehr guter Qualität. Ob diese allerdings den aktuellen Preis von 4,71 Euro je Kubikmeter inklusive Schmutzwasserentgelt rechtfertigt, ist schwer zu durchschauen. Bislang war das – zumindest für Otto Normalverbraucher – eine eher trübe Angelegenheit, doch von nun an soll alles kristallklar werden. Am Dienstag haben die Berliner Wasserbetriebe (BWB) ein Handbuch zur Tarifkalkulation vorgestellt, das »einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion über Trink- und Abwassertarife und zugleich zur Transparenz« leisten soll, erklärte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke), zugleich BWB-Aufsichtsrats-chef. Die 20seitige Broschüre erläutert – ohne allzuviel konkrete Zahlen zu nennen – in allgemeinverständlicher Form Rechtsgrundlagen und Struktur der Berechnung. Anfang 2008 wollen die BWB zudem ihre gesamte Tarifkalkulation offenlegen.
Diese »Transparenzoffensive« kommt nicht von ungefähr. Anfang Oktober erstritt der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) vor dem Oberverwaltungsgericht das Recht auf Akteneinsicht in die Kalkulationsunterlagen für 2004.
Wenn’s rück- und seitwärts nicht mehr geht, muß man eben vorwärtspreschen: »Wir haben nie verweigert, unsere Unterlagen herauszugeben«, sagte BWB-Vorstandschef Jörg Simon gestern. Jedenfalls, fügte er hinzu, »im Rahmen von Gerichtsprozessen«. Daß das dann auch schon mal zwei Jahre dauern und durch die Instanzen gehen muß, ist nicht Schuld der Wasserbetriebe.
Zur Zeit entwickeln die Hauptstädter ein gewisses Interesse an der Frage, warum sie mittlerweile bundesweit fast die höchsten Wasserpreise zahlen müssen. Schließlich leidet das Berliner Urstromtal chronisch eher unter einem zu hohen Grundwasserstand denn unter Trockenheit. Nach oben gingen die Preise, nachdem das Land 1999 genau 49,9 Prozent der BWB an die Konzerne RWE und Veolia (damals Vivendi) verkaufte und diesen in einem Geheimvertrag eine Mindestrendite von jeweils zwei Prozent über dem Zinssatz langjähriger Bundesschatzbriefe garantierte. Seit 2003 sind die Tarife um 26 Prozent gestiegen. Zum 1. Januar ist die nächste Anhebung um 1,9 Prozent genehmigt. Vor diesem Hintergrund sieht es so aus, als ob das im Sommer gestartete Volksbegehren zur Offenlegung der Geheimverträge immerhin die erste Hürde von 20000 Unterschriften schaffen könnte – auch ohne die Unterstützung der Linkspartei.
Die interessante Frage, wie groß der Teil ihrer Wasserrechnung ist, den die Berliner als Rendite an die privaten Anteilseigner zahlen, wird mit dem Kalkulationshandbuch freilich nicht beantwortet. Allerdings, und darin besteht ihr aufklärerischer Wert, macht die Broschüre transparenter, in welchen buchhalterischen Posten er sich versteckt: Es ist die 2003 auf Initiative von Linkspartei-Senator Wolf eingeführte »Abschreibung auf Wiederbeschaffungszeitwerte« sowie der vom Land verordnete »Zinssatz auf das betriebsnotwendige Kapital«. Beide sind im bundesweiten Vergleich »außergewöhnlich«, räumte Simon gestern ein. So brachte die veränderte Abschreibungsmethode den BWB 2004 auf einen Schlag um 55,2 Millionen Euro höhere kalkulatorische Kosten, die auf die Tarife umgelegt wurden. Der Verordnungszinssatz – Grundlage für den Gewinn – beträgt derzeit 7,77 Prozent. Auch hier liegt die Hauptstadt weit über dem Durchschnitt: Bundesweit üblich seien »zwischen drei und sieben, acht Prozent«, sagte Simon auf jW-Nachfrage.

Keine Kommentare: