20 September 2007

Unterstützen heißt behindern

Die Linke in Berlin: Bezirksverband darf keine Unterschriften für Volksbegehren gegen Privatisierungspolitik sammeln. Schiedsgericht soll Beschlüsse kassieren

Von Jörn Boewe, jW 20. Sept. 2007


»Der demokratische Zentralismus ist vorbei«, hatte Berlins Linksparteichef Klaus Lederer vor ein paar Wochen erklärt. Er vergaß hinzuzufügen: Aber nur der demokratische. Wie es der Berliner Landesvorstand mit dem – nennen wir ihn mal: »bürokratischen« – Zentralismus hält, kann man im kürzlich veröffentlichten Protokoll der Vorstandssitzung vom 11. September an einem handlichen Fallbeispiel studieren.

Mit einem »einstimmig, ohne Enthaltungen« gefaßten Beschluß verbietet Lederers »kleines Zentralkomitee« dem Bezirksverband Tempelhof-Schöneberg, in den Räumen seiner »Bezirksgeschäftsstelle« Unterschriften für zwei Volksbegehren zu sammeln. Eines fordert die Offenlegung der Geheimverträge zum Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe durch die CDU-SPD-Koalition 1999, das andere will eine gemeinwohlorientierte Novellierung des Berliner Sparkassengesetzes erzwingen.

»Im Landesverband Berlin gibt es keine Bezirksgeschäftsstellen«, stellt der Vorstand in seiner Begründung fest. »Es gibt die Landesgeschäftsstelle, die politisch-kulturelle Zentren in Berliner Bezirken betreibt. Dort arbeiten Mitarbeiter/innen der Landesgeschäftsstelle, die die Arbeit der Bezirksverbände unterstützen.«

»Unterstützen« – das ist witzig: Der Bezirksverband hatte am 22. August mit großer Mehrheit beschlossen, »die Sammlung von Unterschriften an öffentlichen Plätzen zu organisieren, gegebenenfalls auch im Rahmen von Bündnissen mit anderen Organisationen«, und seine Mitglieder aufgerufen, »sich zahlreich an der Sammlung von Unterschriften für diese Volksbegehren zu beteiligen«.

»Der Landesvorstand«, liest man in dessen jüngstem Protokoll nun weiter, »und die von ihm errichtete Landesgeschäftsstelle sind an die Beschlüsse des Landesparteitages gebunden.« Der wiederum habe im Juli »Anträge zur Unterstützung der Volksbegehren zur Sparkasse und zur Offenlegung der Privatisierungsverträge abgelehnt« – mit knappen Mehrheiten, aber das steht da nicht – und: »An diesen Beschluß des Landesparteitages ist der Landesvorstand gebunden und wird daher dem Ansinnen der Mitgliederversammlung nicht folgen, da es einer Aufforderung zum Satzungsbruch gleichkommt.«

Eine fabelhafte Argumentation! Kleinkariert, unpolitisch und sachlich falsch: Es gibt keinen Parteitagsbeschluß, der den Vorstand verpflichten würde, Bezirksgliederungen das Unterschriftensammeln in den »politisch-kulturellen Zentren« zu verbieten. Egal – eine ehrliche Begründung wäre schließlich noch peinlicher: Die beiden Volksbegehren passen einfach nicht so recht in die »investorenfreundliche« Linie des »rot-roten« Senats.

Denn um nichts anderes geht es. Die Bestätigung hat Landesgeschäftsführer und Vorstandsmitglied Carsten Schatz gleich selbst geliefert. Schatz, der im renitenten Tempelhofer Bezirksverband seine Beiträge zahlt, beantragte beim Landesschiedsgericht die komplette Annullierung der Beschlüsse vom 22. August. Erneut wird die Parteisatzung zur Begründung bemüht: Angeblich hätten die Beschlußanträge den Mitgliedern vier oder sechs Wochen vor der Versammlung zugestellt werden müssen. Schaut man allerdings in die Satzung, findet man eine solche Regelung nur für Parteitage – nicht aber für Mitgliederversammlungen der Bezirke. Am Freitag wird sich das Schiedsgericht mit der Angelegenheit befassen.

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