08 Dezember 2005

Simple Wahrheit

Betreff: simple Wahrheit
Datum: Thu, 08 Dec 2005 22:06:23 +0100
Von: Jörn Boewe
Rückantwort: jboe@fab.de, mail@jboe-reporting.de
An: Matthias Kolbeck



Sehr geehrter Herr Kolbeck,

vielen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort.

Nein, mir ist nicht entgangen, dass es sich bei beiden Szenarien um unterschiedliche Modellrechnungen für einen Ausstieg handelt.

Die in "Szenario 2" geschätzten Kosten trägt das Land nämlich auch wenn die Privatisierungsverträge nicht gekündigt werden (durch Einnahmeverluste, Gewinnverzichte im Rahmen der disproportionalen Gewinnverteilung und - falls das nicht reicht - vielleicht noch durch Zahlungen an die privaten Gesellschafter aus dem Landeshaushalt).

"Szenario 2" geht von einer Last aus, die sich aus den Verpflichtungen ergibt, die das Land Berlin mit den Privatisierungsverträgen gegenüber RWE und Veolia eingegangen ist (garantierte Rendite von r+2% auf das betriebsnotwendige Kapital bis 2028 zzgl. Abschreibungsdifferenzen etc.)

Damit beschreibt es eben nicht nur die Kosten, die bei einem Ausstieg aus den Privatisierungsverträgen möglicherweise auf das Land zukommen könnten - "Szenario 2" zeigt auch, welche Kosten Berlin bei einem Nicht-Ausstieg mit Sicherheit entstehen.

Ich gebe Ihnen trotzdem recht und korrigiere meine ursprüngliche Arbeitshypothese: Eine Berechnung der Senatsverwaltung für Finanzen, dass der Ausstieg aus den Privatisierungsverträgen um mindestens eine Milliarde Euro günstiger für das Land Berlin wäre als die Fortführung der Verträge, existiert in der Tat nicht. Die Senatsverwaltung hat überhaupt keine Ahnung, was der Ausstieg aus den Verträgen kosten würde. Es könnten zwei oder drei Milliarden sein, vielleicht ein bisschen mehr.
Ich weiß es auch nicht.

Wenn sich heute drei Freiberufler zusammentun, um gemeinsam ein kleines Büro anzumieten, schreiben sie die Bedingungen für den Fall des Scheiterns oder Austritts aus der Gemeinschaft auf ein Blatt Papier. Aber bei so einem Milliardending kann man das natürlich schon mal vergessen. Wieviel hat das Land damals an Berater und Anwälte gezahlt? Zwischen 70 und 80 Mio. Euro. War wohl zuwenig. Qualität hat eben ihren Preis.

Anderseits ist diese Situation ja nicht nur schlecht. RWE und Veolia können zufrieden sein, die Sache ist nur für Berlin heikel. Wie das wohl passieren konnte?

Vielleicht sollte ich mir mal anschauen, wer den Vertrag damals entworfen hat - auch auf die Gefahr hin, dass Sie mich dann wieder Verschwörungstheoretiker nennen. Das kommt nicht hin, Herr Kolbeck. Ich bin überhaupt kein Theoretiker, ich bin Praktiker.

Im Übrigen werfe ich der Senatsverwaltung nicht vor, die Bürger zu belügen. Weder pauschal, noch im konkreten Fall. Ich habe nur eine Frage gestellt und Sie haben geantwortet. Dafür vielen Dank.

Was simple Wahrheit mit dem SVZ und der Berlikomm angeht ... "Dreistelliger Millionenbereich" ist ein bisschen vage. Schicken Sie mir doch bitte die Zahlen, und ich stell sie auf die Seite.

Mit freundlichen Grüßen

Jörn Boewe

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